Der VfB Stuttgart braucht Frauenfußball – der Meinung sind zwei elfjährige Mädchen aus Stuttgart. Marie Lesch und Martha Beckmann haben eine Petition gestartet, um den Verein dazu zu bewegen, mit einem guten Beispiel voranzugehen und eine Frauenabteilung zu gründen.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Jungs spielen Fußball, und Mädchen gehen ins Ballett? Nö. Zumindest ist das bei Martha Beckmann und Marie Lesch anders: Die elfjährigen Mädchen, die beide eine sechste Klasse besuchen und im Stuttgarter Westen wohnen, spielen bereits seit fünf Jahren in der Juniorinnen-Mannschaft der SG West Fußball – und zwar mit viel Leidenschaft und Herz.

 

Marie und Martha wissen aber auch, dass sie damit eher die Ausnahme sind. „Es ist noch immer nicht völlig normal, dass Mädchen kicken und Jungs Ballett tanzen“, sagt Martha, „leider.“ Denn das mache sich auch daran bemerkbar, dass der VfB Stuttgart keine Mädchen- oder Frauenmannschaft hat. Keine Chance also für die beiden fußballbegeisterten Mädchen, beim VfB zu spielen – dem Verein, der sich selbst für seine „nachhaltig erfolgreiche Jugendarbeit“ rühmt – die bisher aber eben nur reine Jungenarbeit ist. Dabei täten sie dies gerne.

„Der VfB könnte Vorbild sein und zeigen, dass Gleichberechtigung wichtig ist“

Was also tun? Den Kopf einziehen – und damit die besten hochfliegenden Bälle ungenutzt vorbeiziehen lassen? Das ist nicht das Ding von Martha und Marie, denen es nicht nur um sich selbst geht, sondern die sich auch für Gleichberechtigung einsetzen wollen: „Da könnte der VfB eigentlich Vorbild sein und zeigen, dass Gleichberechtigung wichtig ist für die Gesellschaft“, sagt Martha. Da der VfB darauf aber scheinbar noch nicht von allein gekommen ist, haben sich Martha und Marie in den Weihnachtsferien hingesetzt und einen Brief an den Vorstand des VfB geschrieben. Doch dann dachten die beiden Mädchen, dass „das so wahrscheinlich nicht so viel bringt – und wir noch mehr Unterstützer brauchen“.

Marie und Martha hatten schnell eine Idee: Da Martha sich zwei Rennmäuse wünscht, ihre Eltern damit aber nicht einverstanden sind, startete sie vor einiger Zeit eine Miniunterschriftenaktion in der Nachbarschaft. Mit der geballten Unterstützung hoffte sie, ihre Eltern doch noch davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee ist, dass Kinder Haustiere haben. Geklappt hat es leider nicht. Doch das hielt die Mädchen nicht davon ab, einen neuen Versuch zu wagen und eine Petition für eine Frauen-/Mädchenabteilung beim VfB zu starten.

„Es wäre cool, wenn der VfB-Frauenfanclub bald auch den Fußball-Mädels zujubeln könnte“

Allerdings hatten ihre Eltern Einwände dagegen, die Mädchen von Haus zu Haus ziehen zu lassen, zumal in Zeiten von Corona. Doch Marthas Vater, Thomas Beckmann, der die Juniorinnen-Mannschaft der SG West trainiert, hatte einen Vorschlag: Warum die Unterschriftenaktion nicht ins Internet verlagern? Die Mädchen sahen sich den Datenschutz der Webseite openpetition an, der „ziemlich cool ist“ – und machten sich an Werk. „Frauenfußball beim VfB – jetzt wird es Zeit!!!“, steht im Logo zu lesen. Die Begründung fällt differenziert aus: „Der Frauen-/Mädchen-Fußball wird in der Region Stuttgart zu wenig gefördert. Viele Vereine der Männer-Bundesliga haben auch Frauenabteilungen, Stuttgart ist dort leider nicht vertreten. Die Frauenbundesliga-Teams haben in anderen Regionen eine große Vorbildfunktion für alle Mädchen und Frauen und fördern so den Nachwuchs. Der VfB sollte im Stuttgarter Raum mit einem guten Beispiel vorangehen, eine Frauenabteilung gründen, und so den Frauenfußball ein gutes Stück weiterbringen“, schreiben die Mädchen.

Sie stoßen damit auf viele positive Reaktionen. „Die Begründung sagt alles. Ich war erstaunt, dass der VfB Stuttgart noch keine solche Abteilung hat“, schreibt etwa eine Unterstützerin auf der Webseite. 143 Unterschriften haben Martha und Marie schon beisammen, 5000 wollen sie laut ihrer Seite erreichen. „Das wäre natürlich toll, letztlich geht es uns aber darum, so viele Stimmen wie möglich zu bekommen“, sagt Marie. Bisher, fügt sie an, seien sie „so mittel zufrieden.“ Deshalb legen sie sich auch weiterhin ins Zeug: 81 Vereine haben die beiden angeschrieben, um auf ihre Petition aufmerksam zu machen. Darunter waren auch viele Frauenclubs – „einige haben sogar geantwortet“, sagt Martha. Auch der VfB-Frauenfanclub hat von ihnen einen Brief erhalten: „Es wäre cool, wenn der bald auch den Fußball-Mädels zujubeln könnte“, sagt Martha.

„Die Jungs spielen mit mehr Körpereinsatz, die Mädchen geben mehr aufeinander acht“

Martha und Marie haben übrigens nicht immer nur mit Mädchen in einer Mannschaft gespielt: „Das war nur am Anfang so, später durften wir zusätzlich auch mit den Jungs trainieren“, sagt Marie. Dabei hätten sich deutliche Unterschiede gezeigt: „Die Jungs spielen mit mehr Körpereinsatz und Härte, die Mädchen geben mehr aufeinander acht und helfen sich gegenseitig“, sagt Martha. Beide Spielweisen haben ihre Vorteile – und Marie und Martha haben das jeweils Beste für sich daraus gezogen. Sie sind bereit für den VfB. Ist er auch bereit für sie?