Ihre historischen Romane wurden weltweit mehr als zweieinhalb Millionen Mal verkauft. Aus der „Glasbläserin“ hat das ZDF jetzt einen Weihnachtsfilm gemacht. Ein Besuch bei der Kirchheimer Autorin Petra Durst-Benning.

Kirchheim - Glaskugeln spielen in ihrem Haus eine große Rolle. Nicht nur wegen des Romans „Die Glasbläserin“, den sie vor 16 Jahren als ersten Teil einer Trilogie veröffentlichte. Auch nicht wegen des Films, den das ZDF nun daraus gemacht hat. Glaskugeln sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Dekoration, die das Haus der Schriftstellerin unweit von Kirchheim/Teck um diese Jahreszeit in ein Weihnachtshaus verwandelt.

 

Petra Durst-Benning kann es schon im Herbst kaum erwarten, ihre Nikoläuse aus dem Exil im Keller zu holen, überall Lichter aufzustellen und alten Adventsschmuck in neuen zu verwandeln. Jedes Jahr denkt sie sich ein anderes Motto aus. Diesmal dominieren die klassischen Weihnachtsfarben Rot, Weiß und Grün ihr Esszimmer, das mit Eckbank, Kuschelsofa und großen Fenstern, die den Blick auf die frühwinterliche Landschaft freigeben, schon jetzt auf festlich gestimmte Gäste zu warten scheint.

Zu Weihnachten wird wie immer ihre Familie bei ihr, ihrem Mann und den beiden weißen Hunde-Wollknäueln Linda und Curro versammelt sein. Auch ein alleinstehender Nachbar wird kommen, und vielleicht schneit wieder ein spontaner Gast herein. Weihnachtshektik gibt es bei ihr keine. Sie höre schon lange vor der Adventszeit genau hin, wenn die Menschen von ihren Wünschen erzählen, sagt sie – und kauft die Geschenke frühzeitig.

Die Geschichten strömen aus ihrem tiefsten Innersten

Hinhören, hinsehen, das ist nicht nur zu Weihnachten wichtig für die Schriftstellerin, deren Bücher in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Mal verkauft wurden und auch in den USA, wo von 2014 an ihre Glasbläsertrilogie erschien, bald die Marke von einer Million überspringen. Die Fähigkeit zuzuhören sieht Petra Durst-Benning als wesentlich für ihren Beruf: „Was ich mit den Menschen erlebe, fließt in meine Bücher ein.“ Sie erfinde nichts, setze nur zu Geschichten zusammen, was sie mit anderen erlebt, von anderen hört. Die Geschichten strömten aus ihrem tiefsten Innersten.

Wie wohl alle Schreibenden hat auch Petra Durst-Benning schon immer gerne gelesen und in jungen Jahren seitenlange Aufsätze geschrieben. Nach dem Abitur stand aber erst einmal eine Ausbildung zur Wirtschaftskorrespondentin und Übersetzerin auf dem Plan. Nach einer Weile im In- und Export wechselte sie ins elterliche Antiquitätengeschäft. In ihrer Freizeit ging sie ihrer Leidenschaft, dem Reiten, nach. Bei den Ausritten fiel ihr immer wieder eine Stelle auf, die tatsächlich auch „die Stelle“ genannt wird. Sie recherchierte genauer und fand heraus, dass sich genau an dieser „Stelle“ zur Zeit der Bauernkriege die Aufständischen der Gegend gesammelt hatten, um gegen Herzog Ulrich zu ziehen. Petra Durst-Benning war begeistert von dem, was sie über den Aufstand des Armen Konrads und die Bauernkriege las.

Sie beschloss, eine Geschichte daraus zu machen, kaufte sich ihren ersten Computer, brachte sich das Schreiben daran bei und setzte sich im Hinterzimmer des Antiquitätengeschäftes ans Werk. Wenn Kunden kamen, eilte sie nach vorne, um sie zu bedienen. Sobald der Laden wieder leer war, warf sie sich dann erneut auf ihre Geschichte. So entstand schließlich ihr erster Roman „Die Silberdistel“.

Der Erfolg ließ aber auf sich warten

Der Erfolg ließ aber auf sich warten. Ein Verlag nach dem anderen sagte ab. Petra Durst-Benning bewies Standfestigkeit, eine Eigenschaft, die auch ihre Romanheldinnen auszeichnet. Eines Tages hielt sie dann tatsächlich die Zusage und einige Zeit später ihr erstes gedrucktes Buch in Händen. Dem Debüt im Jahr 1996 folgte schon im nächsten Jahr mit dem Roman „Die Zuckerbäckerin“, der 1816 am Hof der Zarentochter und württembergischen Königin Katharina spielt, der erste große Erfolg.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Inzwischen gibt es sechzehn historische Romane aus der Feder von Petra Durst-Benning, und kein einziger wurde bisher aus dem Programm genommen – höchstens mal ein Cover etwas verjüngt. Die meist weibliche Leserschaft halte sich konstant auf einem Altersniveau zwischen 16 und 96 Jahren, sagt die Autorin. Nur die Heldinnen werden älter, mittlerweile sind sie nicht mehr Anfang 20, sondern Mitte dreißig und etwas mehr mit dem Leben vertraut.

Auch wenn es um sie herum gern betriebsam zugehen darf, sitzt Petra Durst-Benning zum Schreiben jetzt nicht mehr im Aufenthaltsraum des elterlichen Geschäfts, sondern zu Hause in ihrem Arbeitszimmer. Braucht sie einmal Ruhe, zieht sie sich in ihr Wochenendhaus zurück. Im Schwarzwald auf 1000 Meter Höhe und in der Einsamkeit der ländlichen Natur kann sie am besten arbeiten.

„Geht euren eigenen Weg“

In der Nähe dieses Rückzugsorts entdeckte sie eines Tages einen Laden, der es ihr antat. Liebevoll eingerichtet im Schwarzwaldstil wurden hier nur Lebensmittel, Kosmetik und Souvenirs verkauft, die aus der Region stammen. Eine Romanidee war geboren, mit der Petra Durst-Benning eine kleine innere Revolution anzettelte. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt „unbändige Lust“, etwas ganz anderes zu schreiben. Und so entwickelte sie mit „Kräuter der Provinz“ (2015) ihren ersten Gegenwartsroman. Die Geschichte handelt von dem kleinen Allgäuer Dorf Maierhofen, das vom Aussterben bedroht ist, aber dank der Überzeugungskunst und Initiative von starken Frauen sowie der Rückbesinnung auf Tugenden und Fähigkeiten der Bewohner zu neuem Leben als „Genießerdorf“ mit einem „Genießerladen“ erweckt wird.

Unerwartet gedieh der Roman für viele zur Inspirationsquelle. Bis heute erhält Petra Durst-Benning Dankeszuschriften von Leserinnen, die nach der Lektüre den Mut fanden, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. In Lesungen sitzen Gemeinderäte und Bürgermeister, die sich überlegen, wie sie den Geist von Maierhofen in ihrem eigenen Ort wecken könnten.

Solche Reaktionen machen die Schöpferin des „Maierhofen-Spirits“ glücklich. Denn sie möchte nicht nur unterhalten, sie möchte ihren Leserinnen auch Mut machen und ihnen sagen: „Lasst euch nicht unterkriegen, nicht vom Leben, nicht von Krankheit. Geht euren eigenen Weg, lasst eure Träume wahr werden, dazu müsst ihr keine Superhelden sein. Das sind meine Figuren auch nicht.“ Sie selbst musste im engsten Familienkreis Erkrankungen wie Herzinfarkt und Gehirntumor erleben, verlor zwei enge Freundinnen an den Krebs und sah einen ihrer Hunde trotz bester Pflege an unheilbarer Epilepsie zugrunde gehen. Wie ihre Maierhofener Hauptfigur Greta weiß sie, was es heißt, ein Burn-out zu durchleben.

„Die Themen kommen zu mir“

Bis zum neuen Jahr hat sie ihren Kalender mit eiserner Hand leer gefegt. Von Januar an bereitet Petra Durst-Benning akribisch ihre Frühjahrslesetour vor, bei der sie oft fünfmal pro Woche liest, jedes Mal in einer anderen Stadt. Und am nächsten historischen Roman sitzt sie auch schon. Er wird im Herbst 2018 erscheinen und wieder ein „typischer Durst-Benning“ sein, wie sie sagt. Es mangelt ihr nicht an Ideen, „die Themen kommen zu mir“. Manchmal ist es nur ein Satz, der sie inspiriert, manchmal ein Film oder der Brief einer Leserin. Ob ihr Manuskript den eben gängigen Marktvorlieben entspricht, überlegt sich Petra Durst-Benning dabei überhaupt nicht. Wenn eine Geschichte in ihr arbeitet, muss sie einfach erzählt werden.

Allerdings rechnet sie jetzt, mit Anfang fünfzig, ab und zu nach, wie viele Projekte sie wohl überhaupt noch umsetzen kann. Sie wünscht sich, einmal in den USA auf große Lesereise zu gehen, um die amerikanischen Fans ihrer „Glasbläser“-Trilogie kennenzulernen. Ob sie auch heimlich davon träumt, einmal ihren Roman in Hollywoodversion zu sehen?

Immerhin hat Petra Durst-Benning schon Film-Blut geleckt. Im April dieses Jahres durfte sie in der Nähe von Prag bei den Dreharbeiten zu dem ZDF-Weihnachtsfilm „Die Glasbläserin“ dabei sein. Hier sah sie, wie die von ihr auf dem Papier erfundenen Schwestern Johanna und Marie Steinmann „von echten Menschen“, nämlich Luise Heyer und Maria Ehrich, zum Leben erweckt wurden. Sie staunte über die Regisseurin Christiane Balthasar, „die das riesige Team mit ruhiger, aber bestimmter Hand führte“. Wenn eine Geschichte Grundlage für ein Drehbuch wird wie 2011 bereits „Die Samenhändlerin“ und nun „Die Glasbläserin“, heißt das für die Autorin loszulassen und zu akzeptieren, dass aus dem eigenen Werk etwas anderes entsteht. „Viele Dialoge wurden eins zu eins übernommen, aber in der Handlung hat sich einiges geändert. So ist das eben. Buch ist Buch. Und Film ist Film.“

Wenn das Werk ausgestrahlt wird, sitzt sie natürlich vor dem Bildschirm. Dann sieht sie zum ersten Mal, was die Filmleute aus ihren Heldinnen gemacht haben. Den Steinmann-Schwestern, die sich 1890 der Tradition widersetzen, dass Frauen kein Glas blasen dürfen. Die in offener Konkurrenz zu den Männern die Glasbläserei ihres Vaters fortführen. Die dabei große Widerstände überwinden, die Weihnachtskugel erfinden und am Ende entdecken, was es heißt, wirklich geliebt zu werden.