Petra Finke im Gespräch Für die Digitalchefin der Dekra ist ständige Veränderung der Normalfall

Petra Finke, die erste Vorständin für Digitalisierung bei der Dekra, blickt zuversichtlich auf die kommenden Aufgaben. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Ihr Posten wurde 2023 neu geschaffen. Als Vorstandsmitglied soll Petra Finke das Entwicklungstempo bei der Prüforganisation hoch halten. Mehr als 20 Jahre IT-Erfahrung helfen ihr dabei – und auch eine Konstante im Privatleben.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Die Erwartungen waren klar formuliert, als Petra Finke zum 1. Juli 2023 die neue Vorstandsposition als Chief Digitalization Officer bei der Dekra übernahm. Ihre Aufgabe sei es, „die digitale Transformation des Unternehmens zu beschleunigen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und das bestehende Portfolio weiter zu digitalisieren“, ließ der Vorstandschef Stan Zurkiewicz mitteilen. Nach einem knappen Jahr im Amt sieht sich die 56-Jährige auf gutem Weg: „Natürlich würde ich – wie jede Digitalchefin – gerne noch schneller vorankommen“, sagt sie. „Aber die Kolleginnen und Kollegen signalisieren mir, dass mein Tempo auch jetzt schon ziemlich hoch ist.“

 

Flexibilität ist ein Leitmotiv ihrer Arbeit. Und flexibel agiert die Frau mit den hellwachen Augen auch zu Beginn des Gesprächs in der Dekra-Zentrale in Stuttgart-Vaihingen. Kurzerhand führt sie die Besucher über die Gebäudebrücke hinüber auf die andere Straßenseite, wo gerade letzte Hand an die neuen Vorstandsräume gelegt wird. Nicht nur der fotogenen Umgebung wegen, sondern weil sie sich sichtlich darauf freut, die hellen, offenen Flächen samt Besprechungsinseln und Mooswand bald beziehen zu können. Sie entsprechen ihrer Vorstellung von Transparenz und Zusammenarbeit.

Es geht um ständige Weiterentwicklung

„Früher gab es vielleicht alle paar Jahre einen großen Entwicklungssprung, heute geht es darum, sich permanent zu verändern“, beschreibt sie ihre Sichtweise auf die Digitalisierung. Entsprechend sehe sie ihre Mission nicht darin, „ein paar ausgefallene Projekte zu machen. Vielmehr geht es darum, das ganze Unternehmen in allen Bereichen schneller und anpassungsfähiger zu machen.“

In der bald 100-jährigen Geschichte der 1925 gegründeten Dekra war das Kerngeschäft immer die Prüfung von Autos auf ihre Verkehrssicherheit. Das Unternehmen aber hat sein Portfolio längst erweitert – etwa um die Bereiche Cybersicherheit und Personaldienstleistungen. Auch Finke, die zuvor 20 Jahre lang beim Logistikkonzern Rhenus die IT-Systeme modernisiert hatte, musste sich erst ein genaueres Bild machen, ehe sie sich zum Jobwechsel entschied. „Wer von außen auf Dekra schaut, sieht vielleicht nicht gleich, wie technologie-nah und digital-affin viele unserer Geschäftsbereiche sind. Aber Dekra ist in Sachen Digitalisierung vorne mit dabei“, sagt sie.

Die Grenze zwischen Software-Testing und Autoprüfung verschwimmt

Ein wesentlicher Grund dafür sind die Veränderungen in der Automobilindustrie. „Durch die Entwicklung zum software-definierten Auto verbindet sich der klassische Bereich der Prüfung immer mehr mit dem Testen von Software und Fragen der Cybersicherheit“, erklärt Finke. Die Autos selbst produzieren immer mehr Daten, die relevant für Sicherheits- und Umweltaspekte sein können. Der Austausch der Daten aber ist ein Spannungsfeld, da die Hersteller um die Datenhoheit bangen. Finke aber sieht Fortschritte: „ Wir sehen, dass bei den Herstellern die Bereitschaft wächst, Daten mit uns zu teilen, um zu noch besseren Ergebnissen zu kommen.“

Beim Megatrend Digitalisierung ist oft schwer zu erklären, worum es im Konkreten geht. Am Beispiel der Fahrzeuguntersuchungen stellt es sich noch relativ einfach dar. Man müsse alte und neue Ansätze kombinieren, sagt Finke: „Manche wollen Termine nach wie vor telefonisch buchen, andere lieber digital, und wieder andere kommen am liebsten immer noch spontan und ohne Termin vorbei.“ Komplizierter wird es, wenn es darum geht, in die Jahre gekommene Systeme abzulösen, international zu vereinheitlichen – und neue Datenplattformen in der Cloud zu etablieren. Dekra ist dabei kein Sonderfall, meint die Digitalisierungschefin: „Alle Unternehmen stehen vor der Aufgabe, über Jahrzehnte hinweg gewachsene Systeme und Prozesse zu durchleuchten und zu vereinheitlichen, um flexibler zu werden.“ Dazu müsse man „viele Schritte gehen, sie ständig überprüfen und immer wieder neu ausrichten“.

Den Mitarbeitern macht man damit nicht nur Freude. Schließlich kennen sie sich in den alten Systemen so gut aus wie im eigenen Wohnzimmer, und eine Umstellung kostet Nerven und (Arbeits-)Zeit. Um immer wieder Veränderungen zu bewältigen, brauche es mehr denn je sogenannte „transversale Skills, also bereichsübergreifende Fähigkeiten“, sagt Finke. „Mitarbeitende, die fachliches Wissen und Verständnis für Software zusammenbringen und an andere Teams vermitteln können, spielen eine große Rolle beim digitalen Umbau.“

Eine Homebase in Westfalen

Bei allem Tempo aber hilft es wohl auch, sich Konstanten zu bewahren. So hat sie sich entschieden, nicht nach Stuttgart umzuziehen, sondern ihren Wohnort beizubehalten: „Wenn man viel unterwegs ist, ist es gut, eine Homebase zu haben“, sagt sie, „einen Ort, wo die Familie und Freunde sind, wo man die Märkte und Cafés kennt und sich wohlfühlt.“ Diese Homebase sei für sie ihr Zuhause bei Münster in Westfalen.

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