Der Pfarrer Albrecht Fetzer hat ein schwäbisches Wörterbuch geschrieben. Der gebürtige Denkendorfer hält die Mundart für unterschätzt. Sie gehöre zu den klangreichsten Sprachen Europas, sagt er. Diese Wörter sollten auch Reingeschmeckte kennen.

Was andere verschämt zu verbergen suchen, will Albrecht Fetzer ins Licht rücken. „Schwäbisch ist eine der klangreichsten Sprachen Europas. Wenn man den Klang des Hochdeutschen mit dem eines Streichquartetts vergleicht, dann besitzt das Schwäbische die Klangfülle eines Sinfonieorchesters“, sagt der Theologe. Woher rührt die Begeisterung für das Schwäbische?

 

„Ich bin in einem rein schwäbischen Umfeld aufgewachsen. Meine Mutter kam nie aus Denkendorf raus“, erzählt der 68-Jährige. Zuhause und im Ort wurde Schwäbisch gesprochen. Erst in der Schule sei ihm aufgefallen, „dass es Hochdeutsch gibt“. Im Gymnasium in Esslingen sei er mit seiner Mundart allerdings nicht bei allen Lehrern gut angekommen. Eine Lehrerin habe ihn vor der Klasse bloßgestellt, weil er im Aufsatz „der Butter“ statt „die Butter“ geschrieben hatte. Das schmerze ihn noch heute. Zumal „Butter“ als Lehnwort aus dem romanischen Sprachbereich im Schwäbischen das originale maskuline Geschlecht beibehalten habe, wie eben „le beurre“ im Französischen oder „il burro“ im Italienischen.

Eine menschliche und gefühlvolle Sprache

Und dann sei da die Vielfalt des Schwäbischen. „Es ist eine menschliche und gefühlvolle Sprache, in der man sich sehr facettenreich unterhalten kann“, so Fetzer. Schwäbisch sei nicht schlechtes Deutsch oder eine degenerierte Form von Hochdeutsch, sondern eine eigene, wertvolle Sprache, die stärker differenziere als Hochdeutsch. Dafür wolle er mit seinem Wörterbuch ein Bewusstsein wecken. Um Schwäbisch zu verstehen, müsse man in die Weite schauen. „Es verbindet uns stärker mit anderen europäischen Sprachen als Hochdeutsch“, sagt Fetzer und nennt das Englische „to go“ für „gehen“, das im Schwäbischen „gao“ heißt.

Die Beschäftigung mit dem Schwäbischen sei ein Nebenprodukt seines Berufs, sagt der Pfarrer, der heute im Ruhestand in Wolfschlugen lebt. Bei Seniorengeburtstagen und anderen Besuchen habe er noch viel unverfälschtes Schwäbisch gehört und sprachliche Feinheiten beobachtet. Sich wissenschaftlich mit der schwäbischen Mundart zu beschäftigen, damit begann er, als er 2007 Pfarrer in Calw-Heumaden wurde, einem Ort, in dem hauptsächlich Zugezogene leben: „Das ließ mich nach meinen Wurzeln fragen. Ich sah, dass meine eigene Herkunft eine besondere Welt ist, die mich geprägt hat. Ich will nicht, dass sie sang- und klanglos untergeht.“ Denn Sprache schaffe ein Gemeinschaftsgefühl und gebe Halt und Anbindung in einer globalisierten und unübersichtlich gewordenen Welt. Doch erst im Ruhestand fand er die Zeit für die intensivere Beschäftigung mit dem Schwäbischen.

Eigene Begriffe für zehn Prozent des deutschen Wortschatzes

Albrecht Fetzer ist nicht interessiert an einzelnen lokalen Varianten, die nach seiner Betrachtung ohnehin nur gering seien – auch wenn von Schwaben immer wieder behauptet werde, im Nachbarort spreche man anders „Ich suche das Verbindende und will ein Gesamtbild der schwäbischen Sprache darstellen.“ Nicht gezielt nachfragen, sondern aufmerksam zuhören war sein Rezept, um genuines Schwäbisch zu identifizieren. „So erfuhr ich, dass der Plural von „Hidde (Hütte) „Hiddena“ heißt und damit eine germanische Pluralendung aufweist.“ Es gehe nicht darum, Hochdeutsch nur schwäbisch auszusprechen. Für zehn Prozent des Wortschatzes habe Schwäbisch eigene Begriffe. „Haipfel“ für Kopfkissen, „Fußned“ für Fußende oder „Dogg“ für Puppe sind solche Begriffe. Oft kann Fetzer die Wurzeln in anderen europäischen Sprachen nachweisen. So stammt „dogg“ aus dem Skandinavischen.

Immer wieder taucht Fetzer ein in die Sprachgeschichte, um die Ursprünge des Schwäbischen ans Licht zu holen. Vieles führt er auf das Althochdeutsche zurück. Er zeigt auch Entwicklungslinien der schwäbischen Lautung auf. Doch ein Problem blieb: Wie die schwäbische Aussprache verschriftlichen? „Ich wollte nichts Eigenes erfinden“, betont er. Auch hier half wieder der Blick nach Europa: Nasale lassen sich mit der Tilde, wie sie auch in Spanien und Portugal verwendet wird, darstellen. Für das dunkle a benutzt Fetzer ein å, wie es in nordeuropäischen Sprachen verwendet wird.

Nach jahrelanger Arbeit hält Fetzer nun sein „Baby“ in der Hand. Das Wörterbuch mit gut 10 000 Stichwörtern und ergänzenden Hinweisen etwa zu Aussprache, Deklination und Grammatik soll kein wissenschaftliches Werk, sondern alltagstauglich sein. Gedacht ist es für Liebhaber der schwäbischen Sprache. „Ich will damit Mut machen, zur eigenen Identität zu stehen. Schlimmstenfalls ist es ein Denkmal für eine vergangene Sprache.“ Derzeit arbeitet Fetzer auch an einer schwäbischen Grammatik, eine logische Folge.“ Sie soll nächstes Jahr erscheinen.

Webseite für schwäbische Mundart

Verfasser
 Albrecht Fetzer ist 1954 in Denkendorf geboren und war nach dem Studium als Pfarrer in Gemeinden in verschiedenen Ecken Württembergs tätig. Seit 2020 ist er im Ruhestand und lebt mit seiner Frau in Wolfschlugen. Er hält immer wieder Vorträge zum Thema schwäbische Mundart und betreut die Internetseite www.sprache-schwaebisch.de.

Buch
Sein Wörterbuch deckt rund 98 Prozent der schwäbischen Alltagssprache ab. Neben den Worteinträgen gibt es Anwendungsbeispiele und Hinweise zu Aussprache, Deklination und grammatikalischen Besonderheiten. Das Buch erscheint in 130 Exemplaren im Denkhaus-Verlag Nürtingen und kostet 38,50 Euro.

Vorstellung
Fetzer präsentiert sein Wörterbuch am 9. März um 18 Uhr im Bürgertreff in Denkendorf in der Friedrichstraße 3–5.