Stadtdekan Søren Schwesig schwört seine Pfarrer bei einer Tagung auf das kommende Streich-Konzert ein. Ingsamt müssen laut Pfarrplan 2024 20,75 Stellen gekürzt werden. „Stuttgart trifft es besonders hart“, sagt Prälatin Gabriele Arnold.

Stuttgart - Für die Stuttgarter Protestanten wird es ungemütlich. Pfarrer müssen Teams bilden, womöglich werden Gemeindegrenzen neu definiert. Das Ganze nennt sich Pfarrplan 2024. Oder „Zusammenwachsen“, wie es die Landeskirche nennt. „Uns in Stuttgart trifft es besonders hart“, sagt Prälatin Gabriele Arnold. Während das Stadtdekanat mit einem Minus von 5,5 Stellen rechnet, sind es in Degerloch 5,75, in Zuffenhausen 4,25 und Bad Cannstatt 5,25 Stellenanteile. „Das ist nichts anderes als ein erheblicher Einschnitt“, sagt Stadtdekan Søren Schwesig. Doch er begreift die Veränderung eher als Chance. Denn kirchliche Arbeit und Strukturen seien zuletzt nicht mehr so tragfähig gewesen. Hinzu kommen demografische und gesellschaftliche Entwicklungen. Die Kirchen verlieren stetig Mitglieder. „Ich bin fast froh, dass wir zu Strukturveränderungen gezwungen sind.“

 

Damit bekräftigt Schwesig seine Vorstellung von moderner Kirche, die er seit seinem Amtsantritt umsetzen will. Seitdem sagt er: „Wir können so nicht weitermachen. Menschen sind heute noch vor Ort beheimatet, aber sie sind nicht mehr personen-, sondern angebotsorientiert.“

Ein „organisierter Trauerprozess“

Allerdings hört das in der Stadtkirche nicht jeder gerne. Dabei machte der Stadtdekan den Bewahrern stets klar, dass seine Kirche „in einer Gesellschaft, die sich immer mehr in Milieus aufteilt, Konzentrationen braucht“. Auch mehr Spezialisierung in den Kernkompetenzen der Pfarrer.

Tatsächlich sind Pfarrer heute eher Menschen, die alles ein bisschen können müssen. Kein anderer Beruf hat so ein vielschichtiges Anforderungsprofil: Pfarrer müssen gute Kinder- und Jugendpädagogen sein, gute Rhetoriker und Redner, gute Seelsorger und gute Manager. Kirchenkritiker meinen daher: So wird Mittelmaß zum Standard. Die Stuttgarter Pfarrerin Sabine Löw bestätigt: „Ich finde, ein Problem des Pfarrberufs ist weniger ein gewisser Allround-Dilettantismus, sondern dass man sich in unterschiedlichsten Energiefeldern bewegt. Das mag jetzt esoterisch klingen. Aber wenn es darum geht, spirituell zu sein, ist es sehr herausfordernd, gleichzeitig zu verwalten und zu führen.“ Dem widerspricht Christoph Dinkel, Pfarrer der Christuskirchengemeinde. Für ihn hat dieser Generalismus auch „Charme und Chancen“: „Spezialisierung ist nicht die Lösung für alles“, sagt er. Gleichzeitig gibt er zu, dass die Einschnitte die „Komfortzone betreffen“, und teilt die Meinung von Schwesig: „Es gibt keine Alternativen.“ Allerdings, so Dinkel, seien die Strukturen auch etwas Wertvolles, mit dem man behutsam umgehen müsse.

Nicht per Rasenmäher-Methode kürzen

Genau das versuchte Schwesig am vergangenen Samstag mit der Stuttgarter Pfarrschaft auf einem Studientag. Es war sozusagen die erste Etappe auf einem „organisierten Trauerprozess“ (Schwesig). Dort sollte eine Vision entwickelt werden, mit der alle leben können. Der Ausgangspunkt lautete: Wie können das Pfarramt und das Gemeindewesen auch in Zukunft lebbar sein? „Auf der Sitzung wurde schnell klar, dass dieses Ergebnis nicht durch die Rasenmähermethode gelingen kann“, sagt Schwesig. Das hätte zur Folge, dass jeder Bezirk eine Stelle verlöre. Stattdessen sollen vernünftige Kürzungskriterien erarbeitet werden. Zum Beispiel sollen die Gemeindegröße, die Möglichkeit der Schwerpunktbildung oder etwa die Belastung durch S 21 mit in die Entscheidung des Pfarrplansonderausschusses am 23. März einfließen. Auch hier gilt Schwesigs Motto: „Transparenz und Kommunikation“.