Ein Experte für gepflegten Tabakkonsum bringt Studenten eine fast vergessene akademische Tradition nahe: das Pfeifenrauchen.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)
Stuttgart - Der junge Student, im Anzug und rot bemützt, steckt unter dem wohlwollenden Blick von Klaus Hölters seine Nase in die Dose, aus der ein Duft aus Tabak, Vanille, Rum und tropischen Früchten strömt. Wahlweise gehen auch kanadischer Ahornsirup, karibischer Rohzucker und englische Lakritze. Was im Pfeifentabak so alles steckt, darüber weiß Klaus Hölters jede Menge: Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Pfeifenrauchen. "Modern sind gerade auch Mango und schwarzer Pfeffer." Wobei das mit der Mode so eine Sache ist: In Ratgebern über das, was Männer heute angeblich wissen müssen, ist von Pfeifen wenig die Rede. Nach berühmten Pfeifenrauchern muss Mann lange suchen: Albert Einstein, J.R.R. Tolkien und Johann Sebastian Bach gehörten dazu, auch Friedrich Dürrenmatt, Jean Paul Sartre und, na ja, Josef Stalin.

Heute hat die Pfeife ein Imageproblem und Klaus Hölters deshalb eine Mission. Der Betreiber eines Münchner Redaktionsbüros schreibt in diversen Genussgazetten über seine Leidenschaft und hat ein Interesse daran, dass möglichst viele Pfeifen rauchen. Seit dem Herbst tingelt Hölters deshalb durch die Unistädte und gibt "Akademische Pfeifen- und Tabakkollegien" - in Anlehnung an das Tabakkollegium des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I., wo es dem Vernehmen nach unter den Zechern bisweilen rau zuging.

Die Pfeife hat ein Imageproblem


Weil das Pfeifenrauchen in Deutschland ein männliches Ritual ist, wähnt Hölters seine Zielgruppe in studentischen Verbindungen. Am Anfang dieser Woche war der Tabakexperte im westfälischen Münster, am Donnerstagabend bei der Stuttgarter Burschenschaft Hilaritas - farbentragend, schlagend und beides auf Lebenszeit. Die zwei Dutzend Brüder im kleinen Saal bekommen von Klaus Hölters nicht nur einen Schnellkurs im Pfeifenrauchen serviert, sondern die anscheinend zum Tabaktrunk gehörende maskulin-rustikale Stimmung gleich dazu. "Viele Frauen können eine Ehefrau ersetzen, aber keine Ehefrau viele Frauen", lässt der 58 Jahre alte Genussmann wissen, und: "Als ich studiert habe, gab es an den Unis öffentliche Büstenhalterverbrennungen."

Die jungen Hilaritas-Herren haben allerdings kaum Zeit, darüber zu lachen, zu sehr sind sie damit beschäftigt, mit spitzen Fingern ihre frisch gestopften Pfeifen zu halten. Bald ist der kleine Saal rauchgeschwängert, und Hölters sagt: "Der Raumduft dieses Tabaks treibt jede Ehefrau aus dem Haus." An der Lebenswelt seiner Novizen schrammt er damit knapp vorbei. "Gibt es auch einen, der Frauen anlockt", kommt es von hinten aus dem Saal.

Zwei Stunden und viele Bier- und Tabakrunden später sitzen die Mützen schief auf den schweren Köpfen. Benjamin Ruppert, der Sprecher von Hilaritas, hat tapfer mitgehalten, obwohl er erkältet ist. Er findet Pfeifenrauchen spaßig: "Es ist gemütlich, und man hat etwas zu tun." Ruppert hatte Hölters ins Haus gelassen - dessen Referenzen von befreundeten Burschenschaften seien überzeugend gewesen. Rund 1100 Verbindungen gibt es in Deutschland. Im laufenden Sommersemester, sagt Hölters, hat er allein 28 Termine. Der Experte hat noch viele Pfeifen zu stopfen.