Der deutsche Lebensmittelhandel hat Vorwürfe zurückgewiesen, Supermarktketten hätten ihre Kunden zu spät über mögliches Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne informiert. Verbraucherschützer fordern derweil ein Schnellwarnsystem.

Stuttgart - Der deutsche Lebensmittelhandel hat Vorwürfe zurückgewiesen, Supermarktketten hätten ihre Kunden zu spät über mögliches Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne informiert. Die Firmen hätten angesichts erster Verdachtsfälle die „Produkte vorsorglich aus dem Verkauf genommen“, teilte Friedhelm Dornseifer, der Präsident der Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL), mit. „Umgehend wurde mit der Produktanalyse begonnen. Nachdem positive Testergebnisse vorlagen, haben sie die Öffentlichkeit informiert.“

 

Der Berliner Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) und andere Politiker hatten die Supermarktketten wegen der späten Information kritisiert. Der Sprecher des Lebensmittelverbandes, Christian Böttcher, erläuterte: „Solange wir nicht wissen, was los ist, ziehen wir Produkte zurück. Wir informieren aber erst, wenn wir sicher wissen, um was es sich handelt.“ Wenn Gesundheitsgefahr bestehe, müssten die Behörden und die Öffentlichkeit informiert werden, sagte Böttcher. „In diesem Fall haben die Unternehmen sogar mehr gemacht als vorgeschrieben, weil keine Gesundheitsgefährdung vorlag und trotzdem informiert wurde.“ Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels gehört zum Handelsverband Deutschland (HDE) und vertritt Firmen der Lebensmittelbranche.

Supermarktketten wie Real und Edeka hatten in Stichproben Anteile von Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne gefunden. Das Fleisch soll aus dem Ausland geliefert worden sein. Tausende Packungen wurden aus den Regalen genommen. Die Öffentlichkeit erfuhr aber erst mehrere Tage später davon. Viele Lasagne-Portionen wurden schon verkauft und möglicherweise auch gegessen.

Verbraucherschützer und Politiker fordern Schnellwarnsystem

Der Lebensmittel-Discounter Aldi Süd nahm am Freitag zwei Fertiggerichte aus den Regalen, der Konkurrent Lidl zog ein Nudelgericht aus dem Verkehr. Eigene Analysen hätten Pferdefleisch nachgewiesen, teilte eine Aldi-Sprecherin mit. Die betroffenen Produkte hießen „Ravioli, 800 g Dose (Sorte Bolognese)“ und „Gulasch, 450 g Dose (Sorte Rind)“.

Auch die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann geht davon aus, dass ihre aus dem Verkauf genommene Lasagne der Eigenmarke A&P Pferdefleisch enthält. Der französische Hersteller Comigel habe seine Kunden offiziell informiert, dass von ihm hergestellte Fertiggerichte in unabhängigen Laboren getestet worden seien und Anteile von Pferdefleisch enthalten hätten. Deshalb sei davon auszugehen, dass auch die A&P-Lasagne Pferdefleisch enthalten habe. Eigene Testergebnisse lägen noch nicht vor, erklärte Kaiser’s Tengelmann. Die A&P-Tiefkühl-Lasagne wurde am Mittwoch vergangener Woche aus dem Verkauf genommen. Kunden könnten diesen Artikel gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben.

Als Konsequenz aus dem Skandal forderten Verbraucherschützer und Politiker ein Schnellwarnsystem zum Schutz der Konsumenten vor Täuschungen. Eine entsprechende Plattform ähnlich der Seite www.lebensmittelwarnung.de wäre national und europaweit sinnvoll, sagte der Chef vom Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen, dem Portal „Handelsblatt Online“. Die Öffentlichkeit hätte so einen „zügigen Zugang“ zu Daten über Täuschungsdelikte. Auch der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) forderte Handel und Industrie im TV-Sender Phoenix auf, gemeinsam eine solche Internetplattform einzurichten.