Statt Fohlenbraten und Fettine di Cavallo für Zweibeiner produziert die Waiblinger Pferdemetzgerei Beerwart, eine der letzten im Land, künftig nur noch Produkte für Vierbeiner.

Waiblingen - Vorbei sind die Zeiten, als Heidemarie Beerwart ihre Kundschaft mit Fettine di Cavallo, zartem Fohlenbraten oder scharfer Pferde-Rote versorgt hat: Die wegen ihres schonenden Umgangs mit Pferden vor 20 Jahren mit einem Tierschutzpreis ausgezeichnete Pferdemetzgerei in Waiblingen, die ihre Waren auch auf Märkten im Rems-Murr-Kreis, in Stuttgart und Ludwigsburg verkauft hat, stellt künftig ausschließlich Produkte für vierbeinige Wurst- und Fleischliebhaber her.

 

Pech für zweibeinige Fans des fettarmen Fleischs und für Allergiker, die laut Heidemarie Beerwart ebenfalls häufig das geschmacklich irgendwo zwischen Rind und Wild angesiedelte Fleisch gekauft haben. Denn von mehreren Pferdemetzgereien, die es einst im Großraum Stuttgart gegeben hat, ist die Beerwart’sche eine der letzten – in Baden-Württemberg gibt es nur noch etwa fünf dieser Art. Ganz nebenbei endet so eine lange Tradition, die im Jahr 1946 mit einem Stall, einem Kühlraum und einem kleinen Laden mitten in der Waiblinger Altstadt begonnen hat.

Immer größerer bürokratischer Aufwand

Gründe für den Entschluss, künftig nur noch auf der Schiene Tierfutter zu fahren, gebe es mehrere, erklärt Heidemarie Beerwart, die demnächst 65 Jahre alt wird und daher gerne einen Gang zurückschalten möchte. Der bürokratische Aufwand nehme ständig zu, auch habe sie trotz ausgiebiger Suche keinen Metzger zur Unterstützung ihres Betriebsleiters Lars Arnold gefunden. Die langjährige Kundschaft, zu der viele Italiener gehörten, ziehe es oft zurück in die alte Heimat, die Kinder griffen eher zu den hierzulande gängigen Fleischsorten oder verzichteten gar ganz auf Fleisch.

Dagegen suchen zunehmend Tierhalter, allen voran Hundebesitzer, Alternativen zum Industriefutter. „Es kommen immer mehr Leute zu mir, deren Tiere Hautallergien, Leberschäden oder Probleme mit der Bauchspeicheldrüse und dem Magen-Darm-Trakt haben“, erzählt Heidemarie Beerwart, die sich in den vergangenen Jahren einiges Wissen zu dem Thema angeeignet hat. Sie ist überzeugt, dass viele der gesundheitlichen Probleme durch künstliche und nicht artgerechte Zusatzstoffe ausgelöst werden. „Wenn die Kunden kommen, sind sie oft sehr verzweifelt, weil es ihrem Tier schlecht geht. Vier, fünf Wochen nach der Umstellung zeigt sich dann meist schon eine deutliche Besserung. Ich finde es wunderbar, wenn ein Kunde kommt und mir zeigt, wie toll sein Hund plötzlich aussieht“, sagt Heidemarie Beerwart, deren zwölfjähriger Golden Retriever Bobby natürlich auch auf Pferdefleisch steht.

Hunde lieben es, Katzen mäkeln manchmal

Während Hunde als Aasfresser meist unkompliziert auf das neue Futter umschwenkten, seien Katzen eine etwas heiklere Klientel. Beerwarts Erfahrung: „Katzen fressen von Natur aus kein Tier, das kalt ist. Die Industrie arbeitet deshalb mit Lockstoffen.“ Da diese im frischen Fleisch fehlen, könne es schon passieren, dass der Stubentiger dieses verschmähe.

Für den Wechsel vom Menschen- zum Tierfutterproduzenten brauche es eine Genehmigung des Regierungspräsidiums Stuttgart, erklärt Heidemarie Beerwart, die den Betrieb 1994 mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Rolf vom Standort in der Innenstadt ins Gewerbegebiet Ameisenbühl umsiedelte: „Wir müssen unsere bisherige Zulassung abgeben und eine neue für die Herstellung von Tiernahrung beantragen, denn eine Metzgerei darf kein Tierfutter herstellen.“ Dass in ihrer Metzgerei seit einigen Jahren auch preisgünstige lebensmitteltaugliche Fleischabschnitte und ungewürzte Pferdewurst als Mahlzeit für Tiere über den Tresen wanderten, sei ein Entgegenkommen der Lebensmittelüberwachung gewesen, erklärt Beerwart.

Nach dem Krieg sei Pferdefleisch als Arme-Leute-Essen verschrien gewesen, erzählt die 64-Jährige, die selbst Anfang der 1990er Jahre, als sie ins Geschäft einstieg, mit vielen Vorurteilen konfrontiert wurde. „Es gab immer mal wieder blöde Sprüche, aber meine Kunden hatten da eine passende Antwort.“ Ihre Kunden auf den Wochenmärkten, die sie nun nicht mehr anfahren wird, die wird sie vermissen: „Der Abschied ist traurig, man kennt sich ja schon ewig.“

Pferde kommen aus dem näheren Umland

Die Pferde, die in Waiblingen bisher zu Gulasch, Rouladen und Schnitzel verarbeitet wurden, kommen aus dem näheren Umkreis und stammen von Privatleuten, die sie selbst abliefern. „Wenn die Leute ihre Tiere wegtun, dann sollen sie sie auch auf dem letzten Gang begleiten“, meint Heidemarie Beerwart. Aus dem Ausland importierte Schlachtpferde lehne ihr Betrieb ab, auch exportiere man grundsätzlich keine Tiere ins Ausland.

Künftig werde ihre Metzgerei statt Pferdegulasch und Fohlenbraten mehrere ungewürzte Wurstsorten für Tiere anbieten, sagt Heidemarie Beerwart: „Wir tüfteln gerade an neuen Rezepten.“ Sehnen, Lungen und Herzen werde man trocknen und als Leckerli anbieten. „Dabei können wir auf Konservierungsstoffe verzichten, weil wir alles in kleiner Anzahl herstellen und schnell verkaufen.“