Früher wurden sie von ganze Generationen von Krankenschwestern, Kellnerinnen und Sekretärinnen getragen, heute sind sie laut „Vogue“ ein Muss. Wie ein kroatisches Unternehmen mit hippen Retro-Schuhen sein Comeback feiert.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Borovo - Eingefallene Scheiben, von Einschusslöchern zersiebte Fassaden: Die Zeit scheint stehen geblieben in den baufälligen Backsteinhallen auf dem Werksgelände von Kroatiens größtem Schuhhersteller Borovo. Dabei verbirgt sich zumindest in den beiden intakten Hallen des verfallenen Industriemonuments einer der kreativsten Schuhwerkstätten des Kontinents: Nach Jahren des scheinbar unaufhaltsamen Niedergangs kämpft sich der angeschlagene Schuhgigant mit hippen Retro-Tretern aus der Krise.

 

Es war der tschechische Schuhkönig Jan Bata, der das verschlafene Donau-Nest Borovo unweit von Vukovar 1931 zum Zentrum der jugoslawischen Schuhproduktion machte. Nach 1945 nationalisiert, mauserte sich Borovo zu sozialistischen Zeiten mit fast 24 000 Arbeitern und einer Jahresproduktion von 23 Millionen Paar Schuhen zum größten Schuh-Gigant des Vielvölkerstaats. Doch der Kroatienkrieg zwischen 1991 und 1995 sollte dem Werk die Zerstörung, den Wegfall angestammter Märkte und einen tiefen Fall bescheren.

Für Disco-Besuche ein wenig umgearbeitet

Stilisierte Herzen auf farbenfrohem Segeltuch lassen in der betagten Werkshalle mittlerweile selbst die bitteren Jahre nach dem mühsamen Neu-Anfang vergessen: Die Wiederentdeckung und Überarbeitung von jugoslawischen Kultschuhen haben dem 2012 nur knapp am Bankrott vorbeigeschrammten Staatskonzern nun eine überraschende Renaissance beschert.

„Borosana“ nennen sich die zehenfreien Segeltuch-Schuhe, die sich im früheren Jugoslawien ganze Generationen von Krankenschwestern, Kellnerinnen und Sekretärinnen um ihre ranken Fesseln schnürten. Wehmütig sollte später die populäre Rockband Hladno Pivo („Kaltes Bier“) die Zeiten besingen, in denen Kellnerinnen „mit Schnurrbärten und blauen Borosanas“ den Kunden geduldig ihre Ohren schenkten.

An dem bequemen Arbeitsgaloschen fand auch die Zagreber Industrie-Designerin Iva Curkovic schon zu Studienzeiten Gefallen. Doch für sich und ihre Freundinnen arbeitete sie das Schuhwerk für Disco-Besuche ein wenig um. „Ich schnitt die Zunge heraus, kürzte den Schaft und ließ die Sohlen vom Schuster um zwei Zentimeter erhöhen“, erklärt sie die Geburtsstunde der „Boromina“. Das eigenwillige Re-Design verhalf ihr Ende 2013 zu einem Vorstellungsgespräch – und ihrer ersten Anstellung: Mit ihren pfiffigen Entwürfen hat sie der auf 700 Mitarbeiter geschrumpften Firma ein neues, junges Image verschafft.

Sprung in die „Vogue“

Die absoluten Verkaufsschlager von Borovo sind mittlerweile die bereits seit 40 Jahren gefertigten Segeltuch-Schuhe „Startas“, die in Kroatien 30 Euro kosten und im Internet für 50 Euro zu haben sind. Unverändert ist die Form der einst als Tischtennis-Schuhe produzierten Sneakers, mit denen ganze Generationen junger Jugoslawen groß wurden. Doch mit farbenfrohen Hippie- und Sommermustern ist den „Startas“ in diesem Jahr bereits zwei Mal der Sprung in die US-Modefibel „Vogue“ geglückt. Spürbar sei deren Absatz seitdem vor allem auf dem kroatischen Markt geklettert, berichtet Iva Curkovic verschmitzt: „Nur was man im Westen preist, wird auch bei uns geschätzt.“

Vom Ladenhüter zum Trendsetter: Nicht zuletzt dank des Verkaufserfolgs der neu gestylten Startas-Sneakers habe sich der Export der jahrelang um ihre Existenz kämpfenden Staatsfirma in diesem Jahr verdoppelt, berichtet Verkaufsleiter Vjekoslav Ferdebar. An die goldenen Vorkriegszeiten werde Borovo zwar nicht mehr anknüpfen können. Doch dank der hippen Kultschuhe sei es geglückt, endlich auch jüngere Generationen als Käufer zu gewinnen: „Wir haben unsere Produktpalette zwar verkleinert, aber den Kreis unser Kunden vergrößert“, erzählt Ferdebar.

Freudig überrascht vermeldeten in diesem Jahr Kroatiens Medien, dass das Sorgenkind Borovo erstmals seit Jahren wieder schwarze Zahlen schreibe, Mitarbeiter ausbilde und einstelle – und nicht nur entlasse. „Die Leute stehen Borovo an sich positiv gegenüber, verbinden damit auch gewisse Nostalgie-Gefühle“, erklärt Designerin Curkovic das positive Kunden- und Medien-Echo auf das neue Gewand der altvertrauten Schuhe: „Es gibt bei uns schließlich kaum jemand, der früher nicht mal selbst Borovo getragen hat.“