Philipp Himmelmann inszeniert die Faust-Oper von Verdis Librettist Arrigo Boito bei den Pfingstfestspielen Baden-Baden als aufwendige, glitzernde Revue. Johannes Leiackers Bühnenbild setzt wirkungsvolle Akzente, und Sänger wie Orchester überzeugen fast immer.

Baden-Baden - Großes Pathos und zerbrechliche Intimität, operettenhafte Leichtigkeit und grelle Dramatik: Arrigo Boitos Oper „Mefistofele“ nach Goethes „Faust“ ist bunt und heterogen. Nach Charles Gounods „Faust“ (Regie: Bartlett Sher) vor zwei Jahren und der konzertanten Version von Hector Berlioz’ „La Damnation de Faust“ 2015 vollendet das Festspielhaus Baden-Baden mit Boitos „Mefistofele“ bei den diesjährigen Pfingstfestspielen seine „Faust“-Trilogie mit einem Lächeln.

 

Regisseur Philipp Himmelmann betont die Leichtigkeit des Stoffs. Schon der musikalisch bombastische Prolog im Himmel, dem Stefan Soltesz mit den Münchner Philharmonikern in den vielen Fortissimo-Passagen den notwendigen Pomp gewährt, besitzt im Festspielhaus Baden-Baden eine humoristische Note. Wenn der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) als Chorus Mysticus allmählich vor den Lamettavorhang tritt, sehen wir eine weiß gekleidete, prominent besetzte Partygesellschaft inklusive Michael Jackson, Rudolph Moshammer und Marilyn Monroe. Als sich Mefistofele musikalisch im Orchester ankündigt, müssen sich die Choristen heftig kratzen – ein klarer Fall von Teufelsallergie. Auch umgekehrt fühlt sich der im schwarzen, glitzernden Showanzug gewandete Erwin Schrott sichtlich unwohl, als ihm die süßen und rein intonierenden Cherubim vom Cantus Juvenum Karlsruhe (Einstudierung: Anette Schneider) zu nah auf die Pelle rücken. Aber auch die klassische Walpurgisnacht im vierten Akt, die Himmelmann als glitzernde, revuehafte Modeschau inszeniert (Kostüme: Gesine Völlm), ist in der aufwändigen, ästhetischen Inszenierung auf Hochglanz poliert.

Erwin Schrott als charmanter Teufel

Neben dem süßen Schein, den die Welt verspricht, setzt Bühnenbildner Johannes Leiacker aber mit einem über sechs Meter hohen, vier Tonnen schweren Totenkopf einen zweiten Pol. Wie von Geisterhand bewegt rollt der riesige Schädel in verschiedene Positionen. Die Augenhöhlen bieten Platz zum Verweilen. Gleichzeitig dient der Kopf auch als Projektionsfläche für Zahlen und Atome, für Blumen und Regenwürmer (Video: Martin Eidenberger). Als Mefistofele ist Erwin Schrott ein charmanter Verführer, dessen Dämonie aber nur aufblitzt, wenn er seinen markanten Bassbariton in der Mittellage für einen Moment zur vollen Entfaltung bringt. Charles Castronovo schenkt Faust geschmeidige Legatolinien und leuchtende Farben. Alex Pendas Margherita hat fragile Züge, die aber mit der wachsenden Verzweiflung in der fokussierten Kerkerszene ins Dramatische wachsen. Angel Joy Blue gibt eine Helena der Extraklasse, deren weit ausschwingendem Sopran man sich gerne hingibt.

Aber „Mefistofele“ lebt auch von den Massenszenen wie der rhythmisch und melodisch hochgepeitschten Walpurgisnacht. Nicht nur bei der höllisch schwierigen Fuge singt der Philharmonia Chor Wien präzise und konturiert. Die Münchner Philharmoniker zeichnen die gesamte dynamische und stilistische Bandbreite der Partitur nach. Der Teufel steckt manches Mal im Detail, wenn sich Chor und Orchester bei den vielen Tempowechseln für einen Moment verlieren. Im Epilog bleiben Mefistofele und Faust alleine auf der Bühne zurück. Die himmlischen Chöre preisen den Herrn. Faust hat genug von existenziellen Wetten, und Mefistofele verheddert sich im Lametta.

Nochmals an diesem Donnerstag, 19. Mai.