Eine Sorte der Chia-Pflanze kann jetzt auch in Deutschland angebaut werden – dank eines Forscherteams der Universität in Stuttgart-Hohenheim. Wo die Schwierigkeiten dabei lagen, lesen Sie hier.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Hohenheim - Das Bundessortenamt hat eine Züchtung der Universität Hohenheim als erste Chia-Sorte in Deutschland geschützt: „Juana“, heißt die Chia-Sorte, die damit hierzulande angebaut werden kann.

 

Warum ausgerechnet Chia? „Die Nachfrage nach Chia-Samen wächst weiter“, erklärt Simone Graeff-Hönninger, Professorin für Pflanzenbau an der Universität und Leiterin der Arbeitsgruppe Anbausysteme und Modellierung. Im Zuge des Superfood-Hypes – also Lebensmittel, die gesundheitsfördernde Eigenschaften haben sollen – ist auch Chia beliebt.

Schlecht für die CO2-Bilanz

Angebaut wird es derzeit allerdings in Südamerika. „Das ist allerdings problematisch“, berichtet Graeff-Hönninger: Einerseits würden immer mehr Wälder gerodet, um noch mehr Chia-Pflanzen anbauen zu können, und zum Teil viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt, um einen hohen Ertrag zu garantieren – andererseits werden die Pflanzen auf langen Wegen nach Europa exportiert, was wiederum schlecht für die CO2-Belastung ist. „Mit der Nachfrage steigt auch der Preis, sodass sich die lokale Bevölkerung ein Produkt nicht mehr leisten kann, das eigentlich zu ihren Grundnahrungsmitteln gehört“, erklärt Graeff-Hönninger. „Darum haben wir uns schnell gefragt: Wie kann es klappen, hier Chia anzubauen?“

Die Chia-Pflanze ist eine Kurztagspflanze. Damit sie blüht und Samen ausbildet, dürfen die Tage nach der Aussaat eine bestimmte Länge nicht überschreiten. „Das passt hier in Deutschland erst ab September“, so Graeff-Hönninger. Kälteempfindlich sind die Pflanzen aber auch: „Sie erfrieren im Herbst, bevor sie überhaupt Samen bilden können“, sagt sie. Es galt also, eine Chia-Sorte zu finden, die hier anpassungsfähig ist.

Welche Sorte ist geeignet für einen Anbau in Deutschland?

„Viele Pflanzen – selbst wenn man die gleiche Art betrachtet – weisen eine gewisse genetische Variabilität in bestimmten Merkmalen auf, da sie unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen angebaut werden“, so Samantha Jo Grimes, Projektbearbeiterin und Doktorandin am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften. „Im Fall von Chia beispielsweise in Mexiko, Nicaragua, Argentinien, Bolivien oder Peru.“

Zusammen mit Volker Hahn von der Landessaatzuchtanstalt in Hohenheim begann die Suche nach einer Chia-Sorte, die für einen Anbau in Deutschland geeignet ist. „Wir mussten nur suchen, suchen, suchen“, erzählt Hahn, „dann schließlich Sorten selektieren und probeweise anbauen“. Und schließlich kam die Einreichung der Sorte „Juana“ beim Bundessortenamt – neben Kreuzungs- und Sortengeschichte wird vor allem Saatgut eingeschickt. Drei Jahre hat es nun gedauert, bis die Erlaubnis kam. Mit mindestens zwei Jahren habe man gerechnet: „Das Bundessortenamt muss die Sorte selbst anbauen und mit anderen Sorten vergleichen, ob sie zu ähnlich sind“, erklärt Hahn den Prozess. „Im zweiten Jahr muss das Amt mit einem erneuten Anbau prüfen, ob die Sorte homogen ist.“

Gesucht: Saatgutfirmen und Landwirte

An lange Prozesse sind die Forscher gewöhnt. „Mit den ersten Test-Anbauten haben wir 2013 angefangen“, erinnern sie sich. Solche Zeiträume seien keineswegs selten in der Pflanzenzucht. Jetzt sind die Hohenheimer Forscher auf der Suche nach Saatgutzuchtfirmen und Landwirten, die die Chia-Sorte vertreiben und anbauen wollen. Mit der Zulassung über das Bundessortenamt, so Hahn, dürfe theoretisch nun jeder in Europa die Sorte „Juana“ weiter entwickeln und kreuzen. „Aber auch wir machen noch ein bisschen weiter“, sagt er und lacht. „Wir wollen Juana noch ein bisschen besser machen.“