Ein 75 Jahre alter Mann verklagt die Stadt Kirchheim nach einem Sturz auf unebenem Pflasterbelag auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er scheitert in zwei Instanzen.

Kirchheim - Knapp drei Jahre ist es her, dass ein 75 Jahre alter Mann auf dem lückenhaften Pflasterbelag in der Dettinger Straße in Kirchheim zu Fall kam und sich dabei einen schmerzhaften Trümmerbruch der rechten Kniescheibe zuzog. Seine Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz war vom Landgericht Stuttgart in erster Instanz abgewiesen worden. Jetzt ist der Rentner mit seiner Berufung vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart erneut gestolpert – und das, obwohl ihm der Vorsitzende Richter, Matthias Haag, eine goldene Brücke gebaut hatte.

 

Der Richter hatte dem Mann empfohlen, die Berufung zurückzunehmen, weil der Stadt Kirchheim nicht nachgewiesen werden kann, dass sie „verkehrssicherungspflichtwidrig“ gehandelt habe. Das erspare dem Gericht Arbeit und ihm Geld. Darauf wollte sich der Rentner am Donnerstag jedoch partout nicht einlassen. Er bestand auf dem Richterspruch. Dass seine Berufung zurückgewiesen wurde, er die Kosten des Verfahrens tragen muss und eine Revision nicht mehr zulässig ist, hat er nach der eineinhalb Stunden dauernden Verhandlung nun auch schriftlich. Möglicherweise wird ihn seine Uneinsichtigkeit auch bares Geld kosten. „Da macht nicht jede Rechtsschutzversicherung mit“, hatte ihn Haag gewarnt.

Keine besonders gefährliche Stolperfalle

Mit dem Richterspruch hangelt sich das Oberlandesgericht Stuttgart entlang einer ganzen Liste vergleichbarer Urteile. Es sei der Stadt nicht zumutbar, jede Unebenheit im Straßenbelag zu beseitigen, fasste Haag den Tenor zusammen. In Innenstädten seien unebene Bereiche hinzunehmen, es sei denn, es handele sich um besonders gefährliche Stolperfallen vor Schaufensterfronten. Das sei in Kirchheim bei dem Gehwegbereich in der verkehrsberuhigten Zone nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil: Unweit der Unglücksstelle auf Höhe des Gebäudes 42 hätten eine Laterne, ein Baum und eine Wasserrinne im Straßenraum von vornherein die besondere Aufmerksamkeit des Passanten erfordert.

„Jeder Fußgänger ist zum Eigenschutz verpflichtet und muss, da wo er läuft, auch auf den Boden schauen“, schrieb der Richter dem Kläger ins Stammbuch. Sei er der Meinung, es handele sich um eine verkehrsicherheitswidrige Passage, so müsse er selbst den Beweis führen. Das sei dem Kläger jedoch nicht gelungen. Die beanstandete Passage in der Dettinger Straße ist nach Überzeugung des Gerichts jederzeit „wahrnehmbar und beherrschbar gewesen“. Auch ist des dem Kläger nach Einschätzung des Gerichts nicht gelungen, die Behauptung, das fragliche Loch, in das er getreten sei, habe fünf Zentimeter gemessen, zweifelsfrei nachzuweisen.

Die Schätzung reicht dem Richter nicht aus

Auf den Fotos, die erst in der Berufungshandlung im Original auf dem Tisch lagen, sei der Höhenunterschied nicht ersichtlich. Und bei der schriftlichen Stellungnahme zweier Zeugen handele es sich um eine von dem Kläger vorformulierte Zeugenaussage, die von den beiden lediglich unterschrieben worden sei. Die Frage, ob sie denn das Loch im Pflasterbelag vermessen hätten, verneinten beide. Die mit Augenmaß und „Pi mal Daumen“ durchgeführte Schätzung reichte dem Richter nicht aus. Und auch von der Tatsache, dass die Stadt die holprige Passage kurz nach dem fatalen Sturz ausgebessert hat, lasse sich keine Anerkenntnis einer Schuld ableiten.