Durch Personaluntergrenzen sollen Kliniken zu sichereren Orten für Patienten werden. Doch ob die Vorgaben von Gesundheitsminister Spahn die Versorgung verbessern, ist ungewiss. Auf manchen Stationen könnte sie sogar schlechter werden.

Stuttgart - Gut ein Jahr lang hatten die Spitzenverbände von Krankenhäusern und Krankenkassen Zeit gehabt, sich auf Personaluntergrenzen auf den Stationen zu verständigen. Als die Verhandlungen im vergangenen Juli scheiterten, platzte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Kragen – er legte Untergrenzen für vier besonders pflegeintensive Abteilungen im Alleingang fest. Seine Begründung: Nur mit einer angemessenen Pflegepersonalausstattung sei eine sichere und gute Behandlung im Krankenhaus möglich.

 

Jahrelang hatten finanziell klamme Kliniken beim Pflegepersonal gespart. Damit soll nun Schluss sein. Ab 1. Januar 2019 sind demnach in der Intensivmedizin tagsüber maximal noch 2,5 Patienten pro Pflegekraft erlaubt, nachts 3,5 Patienten. Ab 2021 wird die Regelung verschärft, dann sind auf Intensivstationen höchstens noch zwei beziehungsweise drei Patienten pro Pflegekraft zulässig. In der Geriatrie (Altersheilkunde) und Unfallchirurgie sind ab 1. Januar maximal noch zehn Patienten pro Pflegekraft tagsüber und 20 Patienten nachts erlaubt. Zwölf zu eins tagsüber und 24 zu eins nachts lauten die entsprechenden Vorgaben in der Kardiologie.

Spahn hat die Personaluntergrenzen nicht willkürlich festgelegt. Sie wurden so bemessen, dass 75 Prozent der Kliniken sie bereits heute erreichen oder übertreffen. Die restlichen 25 Prozent dagegen werden nun auf den betreffenden Stationen zusätzliche Kräfte einsetzen müssen, um die Vorgaben zu erfüllen. Die 75-Prozent-Regelung entspricht übrigens dem Vorschlag der Krankenkassen. Die Kliniken hatten auf Personalvorgaben beharrt, die 90 Prozent der Häuser schon erfüllen.

Gute Nachrichten für Patienten – aber nicht nur

Aus Sicht der Patienten sind das zunächst einmal gute Nachrichten. Wo Personaluntergrenzen gelten, dürfte das Risiko sinken, durch gefährliche Pflege als mögliche Folge der Überlastung von Pflegekräften Schaden zu nehmen. Das würde aber nur für Stationen mit festem Schlüssel gelten. Auf den anderen Stationen bliebe alles beim Alten, bis auch dort irgendwann Personaluntergrenzen eingeführt werden. Unter Umständen jedoch könnte sich die Situation dort ab 1. Januar verschärfen – dann nämlich, wenn Personal abgezogen wird, um die Vorgaben auf den von Spahn reglementierten Stationen zu erfüllen. Das wäre nicht so gut für Patienten. Zudem besteht die Gefahr, dass Kliniken ihre heute schon gute Personalstärke auf die Untergrenzen absenken.

Ob es eine Personalwanderung in Kliniken geben und wie groß diese ausfallen wird, hängt davon ab, wie viele zusätzliche Pflegekräfte durch die Vorgaben gebraucht werden. Schätzungen zufolge könnten es im Südwesten 700 sein. Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft (BWKG), hält diese Zahl für zu groß. Er verweist darauf, dass die Kliniken im Land fünf Prozent mehr Pflegekräfte vorhalten als im Bundesschnitt. Entsprechend würden die Häuser die Vorgaben mehrheitlich bereits erfüllen. Experten gehen davon aus, dass vor allem kleinere Kliniken auf dem Land unter Druck geraten könnten, wenn sie zusätzliche Kräfte benötigen. Sie haben schon heute Schwierigkeiten, Pflegekräfte und Mediziner zu finden. Laut BWKG sind deshalb aktuell mindestens 400 Stellen bei Ärzten und 1200 bei Pflegekräften nicht besetzt.

Abteilungen mit zu wenig Personal müssen schließen

Krankenhäuser, die die Vorgaben nicht erfüllen, sollen nach dem Willen Spahns weniger Geld von den Krankenkassen bekommen. Reißen sie die Vorgaben dauerhaft, müssen Betten abgebaut oder sogar ganze Stationen geschlossen werden. Patienten müssten dann unter Umständen längere Anfahrtswege zu einer anderen Klinik in Kauf nehmen. Dafür wäre aber die Versorgung dort vermutlich besser.

Neu eingestellte Pflegekräfte will der Minister dauerhaft und vollständig durch die Kassen refinanzieren lassen. Dafür bekommt er – anders als beim Thema Personaluntergrenzen – Lob von den Kliniken. Die Finanzierung der Pflegekräfte soll künftig nicht mehr über die fixen Preise für Krankenhausleistungen (Fallpauschalen) laufen, sondern über ein neues Pflegebudget. Das soll verhindern, dass Kliniken Mittel, die für die Pflege am Krankenbett vorgesehen sind, anderweitig verwenden – zum Beispiel für Personal, das nicht pflegt. Die Kliniken kritisieren, dass ihnen damit Flexibilität in der Personalplanung genommen wird. Sie fordern, auch andere Berufsgruppen außerhalb der Fallpauschalen zu vergüten.

Heftig angegangen wird Spahn zudem wegen eines weiteren Details des Pflegepersonalstärkungsgesetzes (PpSG), dass die Änderungen bündelt. Der Minister will den sogenannten Pflegezuschlag abschaffen, den Kliniken seit 2013 erhalten. Bundesweit sind das 500 Millionen Euro, rund 60 Millionen davon fließen – bisher nicht zweckgebunden – an Häuser im Südwesten. Spahn sagt, das Geld werde dem Pflegebudget zugeschlagen. Die Kliniken lassen das nicht gelten. „Wir gehen davon aus, dass wir 40 Millionen Euro zusätzlich durch das Pflegebudget erhalten. Wenn man uns aber 60 Millionen wegnimmt, haben wir 20 Millionen Euro weniger als vorher – und dafür sollen wir die Pflege besser ausstatten“, so BWKG-Hauptgeschäftsführer Einwag. Das sei eine „Mogelpackung“.