Um pflegende Angehörige im Landkreis Ludwigsburg zu entlasten, macht eine Fachstelle derzeit mehrere Angebote. Der Bedarf ist groß, doch die Möglichkeiten sind begrenzt.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Zwar ist Ulrike M. (Name von der Redaktion geändert) schon im Ruhestand. Doch ihr Alltag ist seit mehr als einem halben Jahr keineswegs erholsam. Nachdem sich die Demenz ihrer alleinlebenden Mutter verschlechtert hat, sind sie und ihre berufstätige Schwester ständig im Einsatz. Pflegende Angehörige stehen oftmals unter einer großen Dauerbelastung. An sie richtet sich das Modellprojekt „Pflegeauszeit“ im Landkreis Ludwigsburg.

 

Kochen, im Haushalt zur Hand gehen, zum Arzt begleiten und einiges mehr: Nach einem Oberschenkelhalsbruch und einer Operation ist die Mutter von Ulrike M. zwar noch auf den Beinen, aber auf viel Hilfe angewiesen. „Das ist ein relativ großer Aufwand“, sagt die Tochter, die in Pattonville lebt. Nicht selten kümmert sie sich mehr als acht Stunden am Tag um ihre Mutter, manchmal sogar noch spätabends. „Dabei komme ich ans Ende meiner eigenen Kräfte“, gesteht sie.

Projekt läuft bis Februar 2027

So wie die Frau aus Pattonville gibt es viele pflegende Angehörige im Landkreis Ludwigsburg, die sich Unterstützung wünschen. An diesem Punkt setzt das Modellprojekt an, das Anfang dieses Jahres begonnen hat und noch bis Februar 2027 laufen soll. Es wird vom Sozialministerium Baden-Württemberg gefördert und steht den Einwohnern im Kreis Ludwigsburg kostenlos zur Verfügung. Begleitet und wissenschaftlich ausgewertet wird es von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.

Ziel des Projektes ist es, Angehörigen Auszeiten von der häuslichen Pflege zu schaffen. Ansprechpartnerin im Landratsamt ist dafür Teresa Renier. Die Gerontologin und Soziologin kennt sich in den Bereichen Senioren und Pflege aus. Sie berät Angehörige dabei, wie sie sich Pausen schaffen und ein Netzwerk von Unterstützern aufbauen können, ohne die pflegebedürftigen Personen aus ihrem heimischen Umfeld zu reißen. Angedockt ist das Modellprojekt an den Pflegestützpunkt des Landkreises.

Die Fachstelle, die das Projekt betreut, ist beim Landratsamt zu finden. Foto: Simon Granville

Welche Möglichkeiten lassen sich nutzen? Kommt ein „Essen auf Rädern“ infrage oder ein ambulanter Dienst? Welche Aufgaben könnten andere Familienmitglieder, gute Freunde oder Nachbarn übernehmen? Renier hilft dabei, Wege zur Entlastung zu finden. Vor allem geht es darum, Lösungen zu erarbeiten, wenn der pflegende Angehörige beispielsweise wegen eines Urlaubs oder einer Reha einige Zeit ausfällt.

Ulrike M. hat die Fachstelle zu Rate gezogen. Als absehbar war, dass sich an einem Wochenende weder sie noch ihre Schwester um die Mutter kümmern konnten, half Teresa Renier dabei, einen Plan für diese Tage zu schmieden. Zusammen entwickelten sie die Idee, dass eine Nichte einspringen kann, damit Ulrike M. verreisen konnte.

Nur beratend unterstützen

Insgesamt ist die Zahl der vermittelten Auszeiten aber noch im deutlich einstelligen Bereich. „Wir haben leider keinen Pool an Ehrenamtlichen, die aushelfen können“, sagt Teresa Renier. Auch stünden bei der Fachstelle keine Entlastungsangebote bereit, die sich einfach buchen lassen. „Wir können nur beratend unterstützen“, erklärt die Soziologin. Dass der Ansatz daher nur für einen Teil der Angehörigen funktioniert, ist ihr dabei bewusst. Bei Menschen, die rund um die Uhr betreut sein müssen, stoße das Projekt an seine Grenzen.

Dennoch möchte die Expertin dazu anregen, sich in der häuslichen Pflege schon früh breit aufzustellen und ein Netzwerk an Helfern mitzudenken. Das Projekt will dafür sensibilisieren, dass sich Angehörige Unterstützung suchen und Auszeiten gönnen dürfen. Viele fühlten sich allein verantwortlich und trauten sich nicht, um Hilfe zu bitten.

Ein weiterer Bestandteil ist das Café Auszeit, ein monatlicher Treff in Kornwestheim, bei dem Angehörige über ihre Situation sprechen und Tipps teilen können. Fünf Zusammenkünfte hat es bereits gegeben, drei weitere stehen in diesem Jahr noch an. Im Wechsel finden ein offener, moderierter Austausch und Vorträge von Referenten zu verschiedenen Themen der Pflege statt. Im kommenden Jahr soll die Reihe fortgesetzt werden.

Die Gelegenheit, mit Betroffenen in Kontakt zu kommen und gebündelt Informationen zu erhalten, findet Ulrike M. toll. Von anderen zu hören, dass sie in einer ähnlichen Situation stecken, tue gut, auch wenn es keine tatsächliche Entlastung bringe, meint sie.

Plattform für Ehrenamtliche gewünscht

Dennoch würde sie sich zusätzliche Angebote wünschen. Schon seit Längerem sucht sie vergeblich einen Platz in der Tagespflege für ihre Mutter. „Sie steht auf einer Warteliste“, sagt die Pattonvillerin. Auch eine Plattform, über die sich Ehrenamtliche „ähnlich wie bei der Nachbarschaftshilfe“ organisieren lassen, die sich in der Pflege engagieren möchten, fände Ulrike M. eine gute Idee.

Bis auf Weiteres muss die Angehörige hoffen, dass sich bald Entlastung findet. Zwar möchte sie ihre Mutter möglichst lange im vertrauten Umfeld lassen. Aber Ulrike M. merkt, dass sie allmählich an ihre Grenzen stößt. „Auf Dauer kann ich die Pflege nicht mehr leisten“, sagt sie.

Treffpunkt
Der nächste Termin des Café Auszeit ist am Donnerstag, 16. Oktober. Beim offenen Café von 17 bis 19 Uhr im Gemeinschaftsraum der Senioren-wohnanlage, Hermannstraße 12-14, in Kornwestheim sind alle Interessierten willkommen.

Anmeldung
Wer sich für das Café Auszeit anmelden oder über die anderen Angebote des Modellprojekts informieren möchte, kann sich per E-Mail an pflegeauszeit@landkreis-ludwigsburg.de oder telefonisch unter 07141/ 144-2462 melden.