Um das Leben im Alter würdig zu gestalten, braucht die Hauptstadt mehr Pflegekräfte. Mit einem gemeinsamen Pakt wollen Senat, Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen und Gewerkschaften an einem Strang ziehen.

Berlin - Berlins Pflegesenatorin Dilek Kolat (SPD) will die Zahl von Auszubildenden im Pflegebereich mehr als verdoppeln. Die Ausbildungskapazitäten müssten schon kurzfristig „massiv erhöht“ und danach mindestens verdoppelt werden, sagte die Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung am Montag in Berlin. Zugleich sollten alle Anbieter von Pflegeleistungen ihren tatsächlichen Ausbildungsbedarf ermitteln.

 

Den Angaben zufolge wurden in Berlin 2017/2018 in der Altenpflege 3.038 junge Menschen und in der Krankenpflege 2.856 Personen ausgebildet. Geschätzt werden, dass in der Bundeshauptstadt jedoch zwischen 8.000 und 10.000 Auszubildende im Pflegebereich zusätzlich benötigt werden, sagte Kolat.

„Berliner Pakt für die Pflege“

Berlins erste Pflegesenatorin hatte am Montag gemeinsam mit Krankenkassen- sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern einen „Berliner Pakt für die Pflege“ unterzeichnet. Zu den Erstunterzeichnern zählen das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Caritasverband für das Erzbistum Berlin, die AOK, die Arbeiterwohlfahrt, die Bundesarbeitsgemeinschaft Hauskrankenpflege, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, das Deutsche Rote Kreuz, der Landespflegerat, der Kommunale Arbeitgeberverband, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) sowie die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Spürbare Verbesserungen sollen her

Kolat betonte, die Pflege sei eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen. Allein in Berlin werde bis 2030 der Anteil der über 80-jährigen Menschen um 62 Prozent steigen. „Ein würdiges Leben im Alter setzt gute Pflege voraus“, sagte die Senatorin. Mit dem Pakt würden für den Pflegebereich in der Hauptstadt zwischen den beteiligten Akteuren Ziele und konkrete Maßnahmen vereinbart, die zu „spürbaren Verbesserungen führen“ sollen. Kolat kritisierte, dass unter anderem die privaten Anbieter, die den Hauptanteil im ambulanten Pflegebereich ausmachten, sich nicht an dem Pakt beteiligten.

Ein bedarfsgerechter Ausbau der Ausbildung solle künftig über einen Fonds umlagefinanziert werden, erklärte die SPD-Politikerin weiter. Mit dem Pakt werde auch eine höhere Bezahlung sowie ein besseres Gesundheitsmanagement und mehr Familienfreundlichkeit im Pflegebereich angestrebt. Die Rahmenbedingen im Pflegebereich müssten insgesamt verbessert werden, sagte Kolat.

Pflegefachkräfte verlassen nach sieben bis zehn Jahren den Beruf

„Es gelingt uns bislang nicht, Pflegefachkräfte längerfristig zu halten“, betonte die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin, Gabriele Schlimper. So gebe es in der Pflege eine höhere Personalfluktuation als in anderen Branchen. Nach sieben bis zehn Jahren würden die meisten Fachkräfte den Beruf verlassen. Es müsse gelingen, Pflegekräfte im Beruf zu halten, aber auch wiederzugewinnen.

Hohe psychische und physische Anforderungen

Sonja Weißpflog von „Junge Pflege“ im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe forderte eine Wandlung des Berufsbildes von Pflegekräften in der Öffentlichkeit. Pflegerinnen und Pfleger seien hochqualifiziert und am Beginn des Berufslebens auch meist hochmotiviert, weil sie Menschen helfen wollen. Im Beruf müssten sie hohe psychische und physische Anforderungen bewältigen. „Aber entscheiden - etwa, was für einen Patienten akut wichtig ist - dürfen wir nicht“, kritisierte Weißpflog.

Der Leiter der Gesundheits- und Sozialpolitik bei der Berliner Caritas, Christian Thomes, sprach sich zudem für ein neues Gesundheitsverständnis aus: So trage die aktive Pflege entscheidend zu Genesungsprozessen bei. Dies müsse stärkere Berücksichtigung finden.