Weil es immer mehr alte Menschen gibt, müssten die Pflegeheimträger eigentlich 460 zusätzliche Plätze bis 2020 schaffen. Doch im Gegenteil düften rund 1000 Plätze wegfallen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Eigentlich müssten in Stuttgart bis 2020 wegen der demografischen Entwicklung 460 stationäre Dauerpflegeplätze geschaffen werden. So sieht es die Kreispflegeplanung vor – ein Ziel, das laut dem Trägerforum Altenhilfe mit ziemlicher Sicherheit verfehlt werden wird. Statt 460 neuer Plätze prognostiziert die Leiterin des Trägerforums, Ingrid Hastedt, sogar einen Abbau. Der Grund sei die Landesheimbauverordnung von 2009.

 

Dieser Verordnung zufolge sind von 2019 an keine Doppelzimmer mehr in Pflegeheimen erlaubt, die Einrichtungen dürfen auch nicht mehr als 100 Plätze haben. Deshalb drohten 1000 der 5500 Pflegeheimplätze in Stuttgart wegzufallen, sagt Hastedt.

Teilweise haben Pflegeheime mehr als 100 Plätze zuviel

Noch sind in Stuttgart nach Angaben des Sozialamts 935 Menschen in Doppelzimmern untergebracht. Werden aus Doppelzimmern Einzelzimmer, macht das 467 Betten weniger. 540 weitere Plätze würden zudem wegen der Hundertergrenze wegfallen. 24 Pflegeheime in Stuttgart haben laut dem Sozialamt mehr als 100 Plätze, die größten – wie das Haus St. Monika der Caritas in Mühlhausen ( 224) oder das Pflegezentrum Bethanien der Diak Altenhilfe (216) – sogar mehr als 200 Plätze. Beim Trägerforum Altenhilfe fragt man sich, wie man es schaffen soll, so viele neue Pflegeheimplätze innerhalb von vier Jahren zu schaffen. Die politisch gewollte Betreuungsform sind ambulant betreute Wohngemeinschaften. Doch der Wohnungsmangel in Stuttgart sei viel zu groß, um hier in so großer Zahl solche barrierefreie WGs zu realisieren, so Ingrid Hastedt. Gebraucht würden also vor allem Grundstücke. Freie Flächen sind in Stuttgart bekanntermaßen ebenso Mangelware.

Auch für die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen habe die Verordnung Folgen: „Es kommen auf die Bewohner höhere Kosten zu“, so Hastedt. Wenn die Zahl der Bewohner in einem Pflegeheim sinkt, weil es keine Doppelzimmer mehr gibt, verteilten sich die Betriebskosten auf weniger Leute.

Sorgen wegen Fördermitteln unbegründet

Sorgen macht den Trägern die Frage, ob sie Fördermittel zurückzahlen müssen, die sie von Stadt und Land bekommen haben. Doch dieses Problem scheint vom Tisch zu sein: Sowohl Stadt als auch Land versichern, dass es nicht zu Rückforderungen kommen wird. Das ist in der Landesheimbauverordnung selbst festgeschrieben. Der neue Sozialamtsleiter Stefan Spatz sieht die Umsetzung der Verordnung als Herausforderung. Man sei mit dem Sozialministerium im Gespräch, was die Hundertergrenze angeht. „Wir denken, dass es da noch Spielräume gibt“, so Spatz. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass es bei der Hundertergrenze zu einer Fristverlängerung kommen könnte. Eigentlich müssen die Vorgaben bis 2019 umgesetzt sein. Doch in begründeten Einzelfällen kann die Frist auf 25 Jahre (ab Inbetriebnahme) verlängert werden.

Gibt es doch noch Spielräume?

Auch ohne Hundertergrenze bleibt jedoch laut Spatz eine Lücke von 927 Pflegeheimplätzen in Stuttgart: 467 wegen der wegfallenden Doppelzimmer, 460 wegen der demografischen Entwicklung. „Wir unterstützen die Träger“, so der Amtsleiter. Es dürfe nicht passieren, dass am Schluss weniger Plätze vorhanden sind.

Beim Sozialministerium betont man, dass die Verordnung nicht erst seit gestern gilt. Für den Sprecher Hartmut Zorell geht es vor allem um Folgendes: „Wie wollen wir bei Pflegebedürftigkeit versorgt werden, und welches Maß an Privatheit und Intimität wünschen wir uns dabei?“ Im Hotel käme niemand auf die Idee, sich das Zimmer mit einem Unbekannten zu teilen. Im Pflegeheim lebten die Menschen oft sehr lange. Die Verordnung entfalte ihre ganze Wirkung in den nächsten zwanzig Jahren. Die Menschen, die dann pflegebedürftig sind, stellten vermutlich noch höhere Ansprüche an Privatheit. Träger sollten schon aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit bemüht sein, die Verordnung umzusetzen. Der Abbau der Doppelzimmer sei seit 2009 nicht nur kompensiert, sondern die Platzzahl um zwei Prozent erhöht worden – so kommentiert das Ministerium die Sorge, dass Pflegeheimplätze wegfallen könnten. Zorell betont zudem, dass die Kosten für die Bewohner wegen der Verordnung nur sehr gering stiegen. Das Gesamtheimentgeld erhöhe sich nach der Umstellung auf Einzelzimmer im Schnitt um ein Prozent. Nicht mit eingerechnet sei, dass Doppelzimmer einen geringeren Auslastungsgrad hätten als Einzelzimmer. „Diese Leerstände verteuern Doppelzimmer deutlich“, betont Zorell.

Doppelzimmer sind nicht immer voll belegt

Der Stadtseniorenrat begrüßt die Landesheimbauverordnung. „Wir haben uns immer für Einzelzimmer eingesetzt“, sagt die Vorsitzende Renate Krausnick-Horst. Man müsse jedem seine Intimsphäre zugestehen. Dennoch fände sie es sinnvoll, einige Doppelzimmer weiter vorzuhalten, etwa für Ehepaare. Zudem seien manche Demenzerkrankten ruhiger, wenn sie nicht alleine sind. Der Wunsch der Masse sei das aber nicht, sondern die Ausnahme.