Das Pflegeheim der Erlacher Höhe steht vor dem Aus – trotz aller Bemühungen. Kann ein neues ambulantes Konzept wohnungslosen Menschen gerecht werden? Die Hintergründe einer schmerzhaften Entscheidung.
Die Erlacher Höhe (Rems-Murr-Kreis) sieht sich gezwungen, ihr Pflegeangebot am Standort Großerlach neu auszurichten. Der Fachkräftemangel, der vor zwei Jahren bereits die geplante Erweiterung des Pflegeheims auf 60 Plätze verhinderte, nötigt den diakonischen Träger nun auch dazu, den Betrieb der bestehenden 30 Plätze einzustellen. Stattdessen soll auf ein ambulantes Pflegeangebot umgestellt werden, das sich speziell an wohnungslose Menschen richtet – eine Zielgruppe, die in der Pflege oft übersehen wird.
Leiharbeit ist zu teuer
Die Pandemie hatte die Lage noch einmal verschärft. Viele Pflegekräfte hätten den Beruf verlassen, und trotz erheblicher Anstrengungen sei es nicht gelungen, ausreichend neues Personal zu gewinnen, erklärt André Frank, der kaufmännische Geschäftsführer der diakonischen Einrichtung. Um den Betrieb des Pflegeheims aufrechtzuerhalten, habe man immer stärker auf teure Leiharbeit zurückgreifen müssen. Frank: „2024 führte das zu einem Defizit von 400 000 Euro. Diese Summe können wir nicht dauerhaft stemmen.“
Auch die Bitten um Unterstützung beim Sozialministerium sowie beim Landkreis blieben ohne Erfolg. Angesichts der angespannten Haushaltslage wurden keine zusätzlichen finanziellen Hilfen bewilligt.
Die Folgen der Umstrukturierung
Der Übergang von der stationären Pflege zu einem ambulanten Angebot bedeutet jedoch mehr als eine strategische Neuausrichtung der Einrichtung: Für 11 der derzeit 27 Bewohnerinnen und Bewohner des Heims hat die Umstellung gravierende Konsequenzen. Sie müssen in andere Pflegeeinrichtungen umziehen, da ihr hoher Pflegebedarf ambulant nicht abgedeckt werden kann. „Diese Verlegungen schmerzen uns sehr“, sagt Sartorius. Man werde aber alles tun, um für alle Betroffenen bestmögliche Lösungen zu finden. Man sei mit den zuständigen Behörden und gesetzlichen Betreuern im Kontakt, und natürlich bemühe sich der Sozialdienst und die Pflegedienstleitung intensiv um Alternativen.
Die Schließung ist aber auch ein Schlag für die ohnehin dürftige stationäre Pflege wohnungsloser Menschen in Baden-Württemberg. Laut Sartorius gibt es im gesamten Bundesland derzeit nur 55 Plätze für diese spezielle Zielgruppe. „Hier herrscht ein akuter politischer Handlungsbedarf“, mahnt er. Trotz intensiver Gespräche mit Landtagsabgeordneten und dem Sozialministerium bleibe die Lage angespannt. „Aus unserer Sicht muss sich das Sozialministerium als oberste Landesbehörde des Themas annehmen und Sorge dafür tragen, dass hier deutliche Verbesserungen passieren, auch wenn uns klar ist, dass der Sozialminister keine Pflegekräfte aus dem Hut zaubern kann.“
Ambulante Pflege als Alternative
Die künftige ambulante Versorgung, die man in Zusammenarbeit mit der Diakoniestation der Stiftung Altenheime aufbauen möchte, richtet sich an Menschen mit geringerem Pflegebedarf. „Dieses Angebot soll Menschen helfen, die nicht bettlägerig sind und in ihrem Alltag noch einige Dinge selbstständig bewältigen können“, erklärt Sartorius. Das Gebäude des bisherigen Pflegeheims soll weiter genutzt werden – allerdings für die Wohnungsnotfallhilfe und die ambulante Pflege.
Die Baugenehmigung für die auf Eis gelegte Pflegeheimerweiterung will man weiter aufrechterhalten. Denn sollte sich die Lage entspannen, könnten die Baupläne schnell wieder aktiviert werden. „Wir wollen auch in der Zukunft handlungsfähig zu bleiben, sollte es gravierende Änderungen im Pflegebereich geben und – woher auch immer – Pflegefachkräfte zuhauf auftauchen“, sagt Sartorius. Denn letztlich müsse das Thema Pflege politisch gelöst werden, schließlich sei klar, dass die Bedarfszahlen schon allein demografiebedingt weiter ansteigen werden.
Die Erlacher Höhe
Steckbrief
Die Erlacher Höhe ist ein diakonischer Verbund, der seit dem Jahr 1891 Menschen unterstützt in Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Armut, pflegebedürftige Menschen und Menschen, die in ihrer Teilhabe eingeschränkt sind. Mit rund 70 Einrichtungen und Diensten erreicht die Organisation laut eigenen Angaben täglich mehr als 2000 Menschen in Baden-Württemberg. Ein Schwerpunkt liegt in der Hilfe für wohnungslose und pflegebedürftige Personen.