Im Vergleich zu Deutschland sind die Pfleger in Skandinavien mehr auf Augenhöhe mit Medizinern. Außerdem haben die Kommunen dort eine Schlüsselrolle in der Betreuung von Pflegebedürftigen.

Kopenhagen - Der Wohlfahrtsstaat springt ein, wenn der Mensch sich nicht selbst versorgen kann. Der skandinavische Wohlfahrtsstaat ist bekannt dafür, sich dabei besonders umfassend um seine Bürger zu kümmern. Sein Ziel ist, alle Menschen gleichzustellen: Je besser sie durch den Staat abgesichert sind, desto weniger hängen sie von ihrem individuellen Erfolg ab. Und alle zahlen mit vergleichsweise hohen Steuern für diese Sicherheit.

 

Entsprechend verlassen sich Schweden, Finnen, Norweger, Isländer und Dänen darauf, dass sie gut versorgt werden, wenn sie alt oder aus anderen Gründen pflegebedürftig sind. Zu Recht, zeigte 2013 der erste Global Age Watch Index. Darin haben die UN gemeinsam mit anderen Organisationen verglichen, wie gut es älteren Menschen weltweit geht. Schweden und Norwegen führen das Ranking der insgesamt 91 Staaten an. Deutschland liegt auf Platz drei, Island, Dänemark und Finnland sind unter den Top 20. Die Studie konzentriert sich jedoch nicht allein auf die Pflege, sondern fragt auch, wie gut ältere Menschen finanziell abgesichert sind, nach ihrer Lebenserwartung und nach sozialen Netzwerken.

Städte organisieren Bring- und Fahrdienste

Die Pflegesysteme der fünf skandinavischen Länder hat die der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung 2012 mit dem deutschen verglichen. Alle sechs Staaten haben demnach gemeinsam, dass sie ältere Menschen so lange wie möglich dabei unterstützen wollen, selbstbestimmt zu leben. In Skandinavien geht man jedoch anders an dieses Ziel heran. Hier entscheidet meist die Kommune, wer welche Hilfe erhält, und passt diese an die Situation des Einzelnen an. Die Städte und Gemeinden sorgen für Bring- und Fahrdienste, Treffen im Seniorenzentrum, Betreuung zu Hause und für Lohnausgleich für pflegende Angehörige. Pflegestufen wie in Deutschland gibt es nicht.

Es gibt Besonderheiten in den einzelnen Staaten. In Dänemark etwa achtet man besonders darauf, dass niemand vergessen wird. Wer über 75 Jahre alt ist, alleine lebt und noch keine Hilfe erhält, dem bietet die Kommune automatisch zwei Mal im Jahr einen Hausbesuch an. Den Senioren steht es frei, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen.

Pflegeausbildung auf Hochschulniveau

Gemeinsam ist allen skandinavischen Ländern, dass Pfleger dort ein akademischer Beruf ist – wobei nicht zwischen Alten- und Krankenpfleger unterschieden wird. „In Schweden sind Pflege und Medizin mehr auf Augenhöhe als in Deutschland. Der Pflegeberuf hat hier einen viel höheren Stellenwert“, sagt Rene Ballnus. Dies war einer der Gründe, deretwegen er vor vier Jahren von Berlin, wo er Pflegemanagement studiert hat, nach Stockholm gezogen ist. Dort leitet er die Ausbildungsstation der Karolinska-Universitätsklinik, auf der Pfleger zeitweise gemeinsam mit Medizinern, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten lernen.

„Die Pflegeausbildung ist in Schweden auf Hochschulniveau“, sagt Ballnus. Das hat Auswirkungen auf den Alltag in den Krankenhäusern. Hier übernehmen die Pfleger mehr Verantwortung. Ihre Einschätzung hat größeren Einfluss darauf, wie ein Patient behandelt wird, als in Deutschland. Sie nehmen sich auch mehr Zeit für den Einzelnen, berichtet Ballnus. Dafür müssten Patienten allerdings schon mal länger auf ihre Behandlung warten. An den langen Wartezeiten ist auch der große Mangel an Fachpersonal in Schweden schuld. In dieser Hinsicht gibt es ähnliche Probleme wie in Deutschland. In der Klinik, in der Ballnus arbeitet, seien beispielsweise nicht alle Betten belegt, weil es nicht genug Pflegekräfte gebe, berichtet er.