Gesundheitsminister Karl Lauterbach bringt seine Pflegereform und das Gesetz gegen Lieferengpässe bei Medikamenten durchs Kabinett. Sie können nun im Bundestag verabschiedet werden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirkt in diesen Tagen wie ein Jongleur, der die schwierige Aufgabe zu meistern hat, zahlreiche Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Mehrere seiner vielen Vorhaben haben am Mittwoch die Kabinettshürde genommen und können nun im Bundestag verabschiedet werden. Darunter die Pflegereform und das Gesetz, das künftige Lieferengpässe bei Medikamenten vermeiden soll. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

 

Wie entwickeln sich die Beiträge zur Pflegeversicherung?

Die gute Nachricht: Ab dem zweiten Kind sollen Eltern künftig weniger für die Pflegeversicherung zahlen als heute. Der allgemeine Beitragssatz wird nach Lauterbachs Plänen zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Das soll der Kasse 6,6 Milliarden Euro mehr einbringen. Er liegt dann für Mitglieder ohne Kinder bei 4 Prozent. Die Reform berücksichtigt aber zugleich ein Urteil der Bundesverfassungsgerichtes, das eine stärkere Differenzierung des Beitrags je nach Kinderzahl verlangt hatte. So will der Minister das Urteil umsetzen: Eltern zahlen ab Juli generell 0,6 Beitragssatzpunkte weniger als Kinderlose, also künftig 3,4 Prozent. Ab zwei Kindern und bis zum fünften Kind wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr jeweils um 0,25 Beitragssatzpunkte weiter abgesenkt.

Wie entwickeln sich die Leistungen der Pflegeversicherung?

Das Pflegegeld wird zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent erhöht. Das gilt auch für die ambulanten Sachleistungen, wenn professionelle Kräfte bei der häuslichen Pflege unterstützen. Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.

Was wird aus den Eigenanteilen in der stationären Pflege?

Die von den Bewohnern von Pflegeheimen zu entrichtenden Eigenanteile können erdrückend sein. Deshalb hatte der Gesetzgeber schon 2021 Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen eingeführt. Danach erhalten die Betroffenen im ersten Jahr einen Zuschuss zum sogenannten „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“ von 5 Prozent. Er steigt im zweiten Jahr auf 25 Prozent, im dritten Jahr auf 45 Prozent und danach auf 70 Prozent. Die Sätze werden für die ersten zwölf Monate auf 15 Prozent erhöht, für das zweite Jahr auf 30 Prozent und für das dritte Jahr auf 50 Prozent. Danach soll ein Zuschuss von 75 Prozent des Eigenanteils gezahlt werden.

Wie sollen Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln künftig verhindert werden?

Hier werden die Preisregeln gelockert, um die Produktion für Hersteller wieder attraktiver zu machen. Festbeträge und Rabattverträge werden für diesen Bereich abgeschafft. Bislang gab es auch für Kinderarzneimittel einen Höchstbetrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für dieses Arzneimittel bezahlen. Mit den Rabattverträgen konnten die Kassen die Preise weiter senken. Die pharmazeutischen Unternehmer können nun ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages anheben. Krankenkassen übernehmen die entsprechenden Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln. Die Herausnahme der Kinderarzneien aus den Rabattverträgen ist bei den Kassen sehr umstritten. So sagte Johannes Bauernfeind, Vorstandschef der Südwest-AOK, unserer Zeitung: „Der Ansatz, Arzneimittel für Kinder aus dem System der Rabattverträge herauszunehmen, kann nicht überzeugen. Arzneimittelrabattverträge haben sich als Lenkungsinstrument des generischen Arzneimittelmarkts bewährt, weil sie Versorgungssicherheit schaffen.“

Wie sollen Engpässe bei Antibiotika künftig vermieden werden?

Bei Antibiotika ist die Abhängigkeit von asiatischen Standorten wie China und Indien besonders hoch. Das soll schrittweise anders werden. Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU müssen nun bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden. Die Anbietervielfalt soll damit erhöht werden. Minister Lauterbach rechnet damit, dass innerhalb „von Monaten“ europäische Produktionen aufgebaut werden.

Welche weiteren Maßnahmen gibt es?

Ist ein verschriebenes Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apotheken ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für Arzneimittel, bei denen Kassen Rabattverträge abgeschlossen haben, gilt bald eine Pflicht zur dreimonatigen Lagerhaltung. So sollen kurzfristige Engpässe und plötzlich ansteigender Bedarf abgefedert werden können. Stellt sich heraus, dass bei einem Medikament zu wenige Anbieter auf dem Markt sind, kann der Festbetrag einmalig um 50 Prozent angehoben werden.