Marktwert
Die Stadt Pforzheim hat in den Jahren 2004 und 2005 Swap-Geschäfte mit der Deutschen Bank abgeschlossen („Spread Ladder Swaps“). Da die Spekulation auf steigende langfristige Zinsen nicht aufging, fiel der Marktwert der Kontrakte in den Keller; der Stadt drohte ein Verlust von 20 Millionen Euro. 2006 stoppte sie das Geschäft und vereinbarte mit der US-Bank JP Morgan Chase einen Vertrag, der alle Risiken aus dem ersten eliminieren sollte („Spiegel-Swap“).

 

Gesamtpaket Der „Spiegel-Swap“ war Teil eines Gesamtpakets mit drei neuen Swaps, die die Stadt abschloss. Diese neuen Geschäfte bescherten Pforzheim Verluste von 57 Millionen Euro. Zwei Mitarbeiter der Investmentbank wurden wegen Beihilfe zur schweren Untreue angeklagt, weil sie laut Staatsanwaltschaft den Gemeinderat nicht korrekt über die Risiken informiert haben.

Finanzkrise Der ursprüngliche Swap der Deutschen Bank, der zunächst weiter auf 30 Millionen Euro Verlust gesunken war, hätte sich in der Finanzkrise plötzlich erholt. Hätte ihn die Stadt weiterlaufen lassen und keinen „Spiegel-Swap“ abgeschlossen, wäre ein Gewinn von neun Millionen Euro angefallen.

Vergleich Die Stadt verklagte JP Morgan Chase vor dem Landgericht Frankfurt auf 57 Millionen Euro Schadenersatz. Im Dezember 2014 einigten sich die Parteien auf einen Vergleich; die Stadt erhielt 37 Millionen Euro zurück. Im Dezember 2015 verklagte die Stadt die Deutsche Bank, um die restlichen 20 Millionen Euro zu erhalten; am 13. Juli beginnt der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt.

Nachspiel Für die frühere Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP), die von 2001 bis 2009 im Amt war, und die ehemalige Stadtkämmerin Susanne Weishaar (2002 – 2009) hat der Skandal noch ein Nachspiel. Sie sind wegen schwerer Untreue angeklagt und werden deshalb voraussichtlich 2017 vor Gericht stehen.

Die Misere hat die Länder auf den Plan gerufen

Bundesweiter Marktführer bei den Swap-Geschäften war jedoch mit weitem Abstand die Deutsche Bank, die auch der Stadt Pforzheim im Jahr 2004 Hilfe beim Umgang mit den Schulden anbot. Swaps gelten in der Finanzbranche keineswegs als unseriös. Für Kommunen sind sie nach der allerdings unverbindlichen Muster-Dienstanweisung des Deutschen Städtetags, die erst Mitte 2015 noch einmal überarbeitet worden ist, grundsätzlich zulässig , wenn es sich um Optimierungsgeschäfte zur Minderung der Zinsbelastung handelt. Gleiches gilt für Geschäfte, mit denen sich eine Kommune gegen Zinsänderungsrisiken absichert. Den Rahmen hat im Grundsatz bereits die sogenannte Derivateverordnung des baden-württembergischen Innenministeriums aus dem Jahr 1998 abgesteckt. Unmissverständlich steht dort, dass „die Kommunen das allgemeine Spekulationsverbot zu beachten“ hätten. Der entscheidende Satz zu den Swapgeschäften lautet: „Basis der Zinsgeschäfte muss … ein vorhandenes konkretes Kreditgeschäft sein.“

Die Swaps sind lediglich eine Wette

Dieses Kreditgeschäft gibt es aber bei den „Spread Ladder Swaps“ nicht. „Es ist eine Wette auf die Zinsstrukturkurve“, lautet die Definition von Hans-Peter Burghof, Banken-Professor an der Uni Hohenheim. Die Kommune wettet mit der Bank, dass der Abstand zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen während der Laufzeit des Geschäfts zunimmt. Ein eindeutiges volkswirtschaftliches Modell für solch eine Veränderung gibt es nicht. Nach Ansicht der meisten Ökonomen deutet ein zunehmender Zinsabstand auf eine wirtschaftliche Belebung hin. In dem Fall hätte die Kommune gewonnen. Schrumpft dieser Abstand jedoch, dann hat sie den Kürzeren gezogen. Wird die Zinsstruktur sogar invers, sinkt also der langfristige Zins unter den kurzfristigen, dann türmt sich ein Verlustrisiko auf, das theoretisch unbegrenzt ist. Im Jahr 2006 war dies zum Beispiel der Fall. Eine inverse Zinsstruktur kann auf eine nahende Rezession hindeuten.

Dass die Kommunen spekuliert haben, obwohl sie es nicht hätten tun dürfen, hat die Landespolitik auf den Plan gerufen. Das Bundesland Sachsen hat deshalb die Notbremse gezogen und den Kommunen Spekulationsgeschäfte per Gesetz untersagt. Gleichwohl abgeschlossene Geschäfte sind danach nichtig. Aus der Sicht der Anwaltskanzlei Rössner ist das der richtige Weg, denn „durch die Rechtsfolge der Nichtigkeit liegt das Risiko beim Abschluss spekulativer Geschäfte ausschließlich auf Seiten derer, die Produkte strukturieren“ – also bei den Banken. Die Anbieter könnten dann nicht mehr argumentieren, dass sie in den Beratungen auf alle Risiken hingewiesen hätten. Hierauf hat auch die FDP in Baden-Württemberg mit einem Gesetzentwurf abgezielt, der aber im November 2015 im Innenausschuss abgelehnt und beerdigt wurde. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat in einem Gesetz zur Änderung zahlreicher kommunalrechtlicher Vorschriften, das zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist, den Kommunen Spekulationsgeschäfte ausdrücklich verboten; von Nichtigkeit ist allerdings keine Rede.

Pforzheim und die Millionen

Marktwert
Die Stadt Pforzheim hat in den Jahren 2004 und 2005 Swap-Geschäfte mit der Deutschen Bank abgeschlossen („Spread Ladder Swaps“). Da die Spekulation auf steigende langfristige Zinsen nicht aufging, fiel der Marktwert der Kontrakte in den Keller; der Stadt drohte ein Verlust von 20 Millionen Euro. 2006 stoppte sie das Geschäft und vereinbarte mit der US-Bank JP Morgan Chase einen Vertrag, der alle Risiken aus dem ersten eliminieren sollte („Spiegel-Swap“).

Gesamtpaket Der „Spiegel-Swap“ war Teil eines Gesamtpakets mit drei neuen Swaps, die die Stadt abschloss. Diese neuen Geschäfte bescherten Pforzheim Verluste von 57 Millionen Euro. Zwei Mitarbeiter der Investmentbank wurden wegen Beihilfe zur schweren Untreue angeklagt, weil sie laut Staatsanwaltschaft den Gemeinderat nicht korrekt über die Risiken informiert haben.

Finanzkrise Der ursprüngliche Swap der Deutschen Bank, der zunächst weiter auf 30 Millionen Euro Verlust gesunken war, hätte sich in der Finanzkrise plötzlich erholt. Hätte ihn die Stadt weiterlaufen lassen und keinen „Spiegel-Swap“ abgeschlossen, wäre ein Gewinn von neun Millionen Euro angefallen.

Vergleich Die Stadt verklagte JP Morgan Chase vor dem Landgericht Frankfurt auf 57 Millionen Euro Schadenersatz. Im Dezember 2014 einigten sich die Parteien auf einen Vergleich; die Stadt erhielt 37 Millionen Euro zurück. Im Dezember 2015 verklagte die Stadt die Deutsche Bank, um die restlichen 20 Millionen Euro zu erhalten; am 13. Juli beginnt der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt.

Nachspiel Für die frühere Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP), die von 2001 bis 2009 im Amt war, und die ehemalige Stadtkämmerin Susanne Weishaar (2002 – 2009) hat der Skandal noch ein Nachspiel. Sie sind wegen schwerer Untreue angeklagt und werden deshalb voraussichtlich 2017 vor Gericht stehen.

Wie Zinsen getauscht werden

Swaps Mit Swaps können zum Beispiel variable und feste Zinsen ebenso wie kurz- und langfristige Zinsen gegeneinander getauscht werden. Eine Kommune, die zum Beispiel einen Kredit mit festem Zinssatz hat, ärgert sich darüber womöglich, wenn die variablen Zinsen niedriger sind; geht der Kämmerer davon aus, dass dieser Trend anhält, dann bietet sich ein Swap-Geschäft an. Ansprechpartner ist die Bank, die entweder selbst die Gegenposition einnimmt oder einen Kunden sucht, der auf steigende variable Zinsen setzt.

Formel Die Verträge enthalten viele Variablen, die sich mit Hilfe einer Formel zu einem Marktwert des Swaps zusammenfassen lassen. Bei den Verträgen, die mit den Kommunen gemacht wurden, waren die ursprünglichen Marktwerte vielfach negativ. Die Variablen wurden zu Beginn zum Nachteil der Kommunen angesetzt, so dass sie – anders als die Bank – kaum etwas verdienen konnten. Die negativen Marktwerte wurden freilich in der Regel verschwiegen, was der Bundesgerichtshof moniert hat. Begründung: Als Beraterin des Anlegers müsse die Bank dessen Interessen wahren und offenlegen, dass das Swap-Geschäft am Markt als hochriskant bewertet wird.

Angefixt Die Banken haben nicht nur den negativen Marktwert verheimlicht, sondern die Kunden noch dadurch eingelullt, dass ihnen in den ersten ein oder zwei Jahren garantierte Gewinne überwiesen wurden. „Die Kämmerer sind regelrecht angefixt worden“, lautet das Urteil der Münchner Kanzlei Rössner.