Die Versandapotheke Doc Morris war für viele Apotheker ein rotes Tuch. Jetzt zieht der Mutterkonzern Celesio die Reißleine und verkauft seine Tochter.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Der Stuttgarter Pharmahändler Celesio ist auf der Suche nach einem Käufer für die Versandapotheke Doc Morris. Das kündigte der Vorstandsvorsitzende Markus Pinger bei der Bilanzpressekonferenz in Stuttgart an. Durch den Verkauf von Doc Morris will der seit August 2011 amtierende Celesio-Chef den Konflikt mit den Apotheken „klar und geradlinig lösen“. Weil die deutsche Arzneimittelpreisverordnung für Doc Morris nicht gilt, kann die in den Niederlanden angesiedelte Internetapotheke ihren Kunden günstigere Preise anbieten – unter anderem über einen Rezeptbonus für verschreibungspflichtige Medikamente.

 

Bei den niedergelassenen Apotheken kam diese Konkurrenz nicht gut an. So verlor die Celesio-Tochter Gehe, die den deutschen Großhandel verantwortet, laut Pinger nach der Übernahme von Doc Morris im Jahr 2007 fast 30 Prozent ihrer Kunden an andere Großhändler. Auch der Marktanteil von Gehe sei um 2,5 Prozentpunkte zurückgegangen. „Wir haben erst jetzt wieder den Anteil von 2007. Es hat lange gebraucht, wieder auf 16 Prozent zu kommen“, so Pinger.

Zu den Details des Verkaufs von Doc Morris wollte sich der Celesio-Chef nicht äußern. Klar sei nur, dass die Transaktion noch in diesem Jahr über die Bühne gehen werde. Es sei noch zu früh, um etwas über den Kaufpreis oder potenzielle Interessenten zu sagen. Thomas Maul, Analyst der DZ-Bank, geht davon aus, dass der Konzern nicht wesentlich mehr als 100 Millionen Euro für Doc Morris erhalten wird. Das würde einen hohen Buchverlust bedeuten, denn Pingers Vorgänger Fritz Oesterle hatte Doc Morris 2007 für knapp 200 Millionen Euro übernommen. 2009 musste allerdings eine einmalige Abschreibung auf den Firmenwert von Doc Morris in Höhe von 71 Millionen Euro vorgenommen werden – nicht auf den Versandhandel, sondern auf das franchiseähnliche Geschäft mit sogenannten Doc-Morris-Partnerapotheken.

Mit dem wirtschaftlichen Erfolg von Doc Morris zeigt man sich bei Celesio dennoch zufrieden. In den letzten Jahren habe die Sparte „fast immer einen positiven Ergebnisbeitrag geliefert“ – allerdings um den Preis eines deutlich gesunkenen Ansehens in der Apothekerschaft. Der Umsatz von Doc Morris einschließlich der Partnerapotheken wird für 2011 mit 327 Millionen Euro angegeben, die Mitarbeiterzahl mit 438.

2011 musste Celesio einen massiven Gewinnrückgang einstecken

Zu der von Pinger ausgerufenen Konzentration auf das Kerngeschäft Pharma-Großhandel gehört auch der Verkauf der beiden Töchter Movianto und Pharmexx, den Pinger bereits im Herbst angekündigt hatte. Movianto hat sich auf Logistikleistungen für Pharmafirmen spezialisiert, Pharmexx unterstützt Arzneimittelhersteller im Marketing. Beide Firmen gehören zum kleinsten Geschäftsfeld Manufacturer Solutions, das mit hohen Anlaufverlusten und Firmenwertabschreibungen das Ergebnis belastet hatte. Bereits getrennt hat sich Pinger von der Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen Medco Health Solutions, das Celesio mit einem US-Partner gegründet hatte und die Versorgung chronisch Kranker verbessern sollte. Das Konzept ging aber nicht auf.

2011 musste Celesio einen massiven Gewinnrückgang einstecken. Der Jahresüberschuss brach um fast 98 Prozent auf nur noch gut sechs Millionen Euro ein. Dazu trugen unter anderem hohe Abschreibungen auf Firmenwerte bei. Zudem wurden im vergangenen Jahr bereits 80 Millionen Euro an Kosten für den Konzernumbau bilanziert, der insgesamt 100 Millionen Euro kosten soll. Um dem anhaltenden Sparzwang im Gesundheitswesen zu begegnen, will Pinger unter anderem die Abläufe optimieren und in der Verwaltung sparen. Ein größerer Stellenabbau sei aber weiterhin nicht geplant. Die Dividende halbiert sich auf 25 Cent je Aktie. Damit werden trotz eines Minigewinns unter dem Strich 43 Millionen Euro ausgeschüttet – ein erheblicher Teil davon an den Mutterkonzern Haniel, zu dem auch der Einzelhändler Metro gehört Im laufenden Jahr soll ein operativer Gewinn in ähnlicher Größenordnung erzielt werden.

Große Hoffnungen setzt der Celesio-Chef auf den Aufbau eines europaweiten Netzwerks von Partnerapotheken, die zwar wirtschaftlich unabhängig sind, aber durch gemeinsamen Einkauf ähnliche Größeneffekte erzielen sollen wie die Apothekenketten in vielen Auslandsmärkten. Derzeit verfügt der Konzern in Europa über rund 2300 eigene Apotheken und rund 4500 Kooperationspartner. Diese Zahl soll steigen. Wachstumspotenziale sieht Pinger auch in Schwellenländern – etwa im kaum regulierten brasilianischen Markt. Dort ist Celesio durch die Übernahme von Oncoprod inzwischen Marktführer für den Vertrieb empfindlicher Spezialpharmazeutika – etwa für die Krebstherapie. Auch andere Länder Lateinamerikas oder der Mittlere Osten böten gute Perspektiven.