Kommissar Gunther ist wieder da: der kernige Bulle vom Alexanderplatz muss für Joseph Goebbels auf den kriegsgeschüttelten Balkan und in die neutrale Schweiz. Es geht in Philip Kerrs zehntem Bernie-Gunther-Roman „Operation Zagreb“ um Naziverbrechen, um Intrigen – und um eine wunderschöne Frau.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Philip Kerr ist eine ziemlich sichere Bank, wenn es um toughe, straff erzählte Männerkrimis geht. Die Einschränkung „ziemlich“ deshalb, weil er im einen oder anderen Roman eher verhalten ans Werk gegangen ist – als interessiere ihn die eigene Geschichte nicht. Doch das ist in „Operation Zagreb“ glücklicherweise nicht der Fall. Im Gegenteil: das neue Bernie-Gunther-Abenteuer knüpft problemlos an den besten Bände dieser Reihe an.

 

Sozi in Nazidiensten

Wieder einmal führt uns Kerr in dem mittlerweile zehnten Buch der Serie in die nachtschwarze Zeit des Nationalsozialismus. Und wieder einmal muss der frühere Sozi Gunther einem Spitzennazi zu Diensten sein, diesmal dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (dessen Name in einer britischen Rezension versehentlich zum lautmalerischen „Goebells“ verballhornt wurde).

Fast die ganze Welt steckt im totalen Krieg, doch Dr. Goebbels hat andere Sorgen: Der „Bock von Babelsberg“ ist privat scharf auf die Ufa-Schauspielerin Dalia Dresner, beruflich will er, dass sie die Hauptrolle in einer „Siebenkäs“-Verfilmung übernimmt. Doch die Diva ziert sich. Sie will, dass der Verbleib ihres Vaters in Kroatien geklärt wird.

Goebbels schickt Gunther auf den Balkan, wo die faschistische kroatische Ustascha unfassbare Greuel an Juden und Serben verübt. Der hartgesottene Ermittler ist froh, dass er aus dieser Geschichte heil herauskommt. Dass der Vater von Dalia Dresner keineswegs tot, sondern ein Kriegsverbrecher übelster Sorte ist, erzählt er zwar seinem Auftraggeber, nicht aber der Schauspielerin, mit der er eine leidenschaftliche Liebesaffäre hat.

Noch immer ist der Propagandaminister nicht am Ziel, denn Dresner reist zu ihrem reichen Mann in die Schweiz, wohin folgerichtig Bernie Gunthers nächste Mission führt. Er soll sie ins Reich holen - und wird gleichzeitig in eine Intrige hoher Offiziere verstrickt. Überhaupt ist auch in der beschaulichen Schweiz fast nichts so wie es scheint, Mord und Totschlag allenthalben . . .

Denkmal für eine schöne Frau

Philip Kerrs zehnter Gunther-Roman, im Original „The Lady from Zagreb“, lebt wieder von der atmosphärisch dichten Schilderung nazistischen Grauens, wobei er seine Figuren durchaus vielschichtig zeichnet - eine ganze Reihe von ihnen hat es tatsächlich gegeben. Und mag die Liebesgeschichte etwas ins Kolportagehafte gehen, so setzt er in der Figur Dalia Dresner den Schauspielerinnen Pola Negri und vor allem Hedy Lamarr ein literarisches Denkmal. Denn die Lamarr war nicht nur eine bemerkenswert schöne, sondern auch eine überaus intelligente Frau, deren analytischem Verstand die Welt die Grundlagen für das moderne Bluetooth-Verfahren verdankt.

Last, but not least: Kerr ist ja erwiesenermaßen ein Meister des knackigen Dialogs. Doch an einer Stelle des Romans übertrifft er sich selber und legt Dalia Dresners Dienstmädchen Worte in den Mund, so brillant und maliziös, wie es sonst nur ein Ross Thomas konnte.

Philip Kerr: Operation Zagreb, Roman, aus dem Englischen von Axel Merz, Wunderlich Verlag, 512 Seiten, 22,95 Euro. Auch als E-Book, 19,99 Euro

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