Im Rahmen eines Modellprojekts bewerben sich philippinische Pflegekräfte, um mit gültiger Arbeitserlaubnis nach Deutschland zu kommen. Das soll helfen, den Pflegenotstand zu lindern. Doch das Klinikum Stuttgart macht einen Rückzieher.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Von solchen Bewerberzahlen können die Personalchefs deutscher Kliniken nur träumen: 3000 philippinische Pflegekräfte haben sich dafür beworben, im Rahmen eines Modellprojekts der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) mit gültiger Arbeitserlaubnis nach Deutschland zu kommen. Die ersten Auserwählten sollen Ende des Jahres in Baden-Württemberg landen, nach einem Deutschkurs in ihrem Heimatland.

 

Von „Triple Win“, so heißt das Projekt, sollte eigentlich das Klinikum Stuttgart als eines der ersten Krankenhäuser Deutschlands profitieren. Doch obwohl der Pflegenotstand dort bekannt ist, kommen keine Philippiner nach Stuttgart. Das Klinikum hat seine Bedarfsmeldung zurückgezogen. „Es ist keine Absage, es klappt nur jetzt nicht in diesem Jahr“, sagt Joachim Waimer, der stellvertretende Personalleiter des Stuttgarter Klinikums. Man wolle die Stationen nicht mit der Integration überfordern, meint er und verweist auf zwei größere Gruppen an ausländischen Fachkräften, die bereits in diesem Jahr integriert werden müssten: 30 Pflegekräfte aus Ungarn haben wie berichtet Anfang März angefangen, im Oktober sollen sechs Intensivkinderkrankenschwestern aus Italien im Olgahospital die Teams nach Abschluss ihres Deutschkurses verstärken. „Wir wollen das so begleiten, dass sie auch gerne bleiben“, erklärt Joachim Waimer.

Langfristig sei man durchaus an dem Modellprojekt „Triple Win“ interessiert. „Der Bedarf ist da, den kann man nicht leugnen“, sagt Waimer. Die Lage entspanne sich dadurch leicht, dass im Oktober die Pflegeschüler fertig würden: 61 Krankenpfleger und 28 Kinderkrankenpfleger. „Allen haben wir ein Übernahmeangebot gemacht“, sagt Waimer.

Integration überfordert die Station

Das Klinikum bekomme zudem seit einiger Zeit wöchentlich Angebote von Firmen, die Fachkräfte aus dem Ausland vermitteln wollen: vorwiegend aus Griechenland, Spanien und Italien, berichtet der stellvertretende Personalleiter. Häufig habe er den Eindruck, das lohne sich nur für die Firma, nicht aber für das Klinikum. Die ZAV sei als zuverlässiger Anbieter bekannt.

Jürgen Lux, der Personalratsvorsitzende des Klinikums, hat Verständnis für die Haltung seines Hauses: „Es ist ein Problem, so große Gruppen zu integrieren“, meint auch Lux. Für die Stationen bedeute das zunächst einen erhöhten Aufwand. Aus dem Umfeld des Klinikums ist allerdings zu hören, dass der Rückzug von „Triple Win“ sehr kurzfristig und überraschend gekommen sein soll. Bei den philippinischen Pflegekräften soll es sich um sehr gut ausgebildetes Personal handeln, vielfach mit dem Schwerpunkt in der Intensivpflege. Und gerade das Olgahospital habe nicht erst in diesem Jahr Schlagzeilen gemacht wegen seines Mangels an Intensivpflegekräften.

„Auf den Philippinen sind entsprechende Fachkräfte vorhanden, und die Ausbildung in dem Segment ist sogar höher gestuft als in Deutschland“, sagt der Honorarkonsul der Philippinen und ehemalige Dekra-Chef Gerhard Zeidler, der maßgeblich daran beteiligt war, dass das Projekt zustande gekommen ist. So könnten die philippinischen Pflegekräfte nach ihrer Ausbildung alle einen Bachelorabschluss vorweisen. Da die Staatssprache Englisch sei, erleichtere dies die Kommunikation, wenn die Deutschkenntnisse der Bewerber anfangs noch nicht so gut sein sollten.

Unikliniken Heidelberg sieht das Projekt als große Chance

Für die Unikliniken Tübingen und Heidelberg kam eine Absage nicht infrage – Heidelberg profitiert nach StZ-Informationen ohnehin nur, weil Stuttgart zurückzog. „Für uns ist das eine große Chance“, meint Anthony D. Ho, Ärztlicher Direktor an der Uniklinik Heidelberg. Erst mal werde man „auf kleiner Flamme“ anfangen, so der Heidelberger Pflegedirektor Edgar Reisch. Mit zwei bis fünf Pflegekräften wolle man starten. „Das Projekt ist langfristig angelegt“, so Reisch. Es dauere, bis diese Kräfte tatsächlich eingesetzt werden könnten.

Jana Luntz, die Pflegedirektorin aus Tübingen, ist froh, dass ihre Klinik berücksichtigt wurde: „Wir brauchen die Philippiner, das ist eine gute Initiative“, meint Luntz. Man fange mit zehn philippinischen Pflegekräften an. Ein Teil sei spezialisiert, ein Teil nicht, alle hätten mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen Bachelorabschluss, nennt sie Vorzüge. Außerdem weist sie darauf hin, dass es generell wichtig sei, den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Bei der ZAV in Bonn will man mit Hinweis auf den Datenschutz keine Stellungnahme zu einzelnen Kliniken abgeben. „Wir wünschen uns verbindliche Aussagen“, formuliert es die Sprecherin Beate Raabe allgemein. Es sei aber „kein Ausschlusskriterium“ für die Zukunft, sollte ein Arbeitgeber für dieses Jahr absagen.