Der Stuttgarter Philosoph Spaemann passt in keine Schublade. Im Literaturhaus hat er sein Buch "Nach uns die Kernschmelze" vorgestellt.

Stuttgart – Der Philosoph Robert Spaemann lässt sich in keine Schublade stecken. In den 50er Jahren wandte er sich gegen eine atomare Aufrüstung Deutschlands, in den 80er Jahren setzte er sich jedoch für die Stationierung von Pershing-Raketen ein, weil er an die Logik der Abschreckung glaubte. Und mit der gleichen Schärfe, mit der er seit Jahrzehnten gegen die Atomkraft anschreibt und anspricht, geht er auch gegen Abtreibung und Sterbehilfe vor. Auch politisch lässt er sich nicht verorten: die Energiepolitik der Bundesregierung bezeichnet er als „Zickzackkurs“, doch an den Alternativplänen der Grünen zweifelt er ebenso. Am Dienstagabend erläuterte der 84-Jährige im Stuttgarter Literaturhaus unaufgeregt und charmant, wie das alles für ihn zusammenpasst.

 

Das "Prinzip Hoffnung"

Sein Glaube sei nicht das verbindende Element, sagt Spaemann, der nach dem Tod der Mutter als Sohn eines spät geweihten katholischen Priesters aufwuchs. „Sie werden in meinen philosophischen Arbeiten keine religiösen Argumente finden.“ Seine Positionen gehen vielmehr auf eine grundsätzliche Skepsis zurück: Spaemann bezeichnet es als „Prinzip Hoffnung“, darauf zu setzen, dass technischer Fortschritt und menschliche Einsicht schon verhindern werden, dass es zum Schlimmsten kommt. Er hält es für ein schlechtes „Kennzeichen unserer gegenwärtigen Zivilisation“, Risiken auf die Nachwelt abzuwälzen: etwa die Staatsschulden und den Atommüll.

„Nach uns die Kernschmelze“ heißt ein schmales Bändchen, das der Verlag Klett-Cotta kurz nach der Havarie in Fukushima herausgebracht hat und das auch der Veranstaltung im Literaturhaus ihren Titel gab. Darin führt Spaemann, der seine Professorenkarriere in den 60er Jahren in Stuttgart begann, noch einmal aus, was er schon immer gesagt hat: Atomenergie sei unverantwortbar, weil sie mit der Möglichkeit irreversibler Schäden an der Natur und an künftigen Generationen einhergehe. Aber so geduldig Spaemann im Literaturhaus alle Fragen zum sicher hundertsten Mal routiniert beantwortet – auch für ihn gibt es Grenzen. Einer Frage des Moderators und „Zeit“-Feuilletonisten Ijoma Mangold verweigert er sich: Er will nicht begründen müssen, warum er die Atombombe ablehnt. Wer für die Atombombe sei, sagt er, habe Schläge verdient, aber keine Argumente.

Buchhinweis: Robert Spaemann: Nach uns die Kernschmelze. Hybris im atomaren Zeitalter. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2011, 12,95 Euro.