Neu ist dieser Anspruch nicht. Viele antike Denker begriffen ihre Lehren als Anleitung zur Kunst der Lebensführung. Gleichwohl dominieren gegenwärtig an den wissenschaftlichen Instituten fachliche Ansätze, die eher sprachtheoretische und logische Probleme bearbeiten als Fragen der individuellen Lebenspraxis beantworten. Zugleich herrscht auf dieser Seite eher Skepsis an Popularisierungsversuchen à la Precht. Eine online erscheinende Fachzeitschrift sieht so durchaus die Möglichkeit, dass die Populärphilosophie der akademischen den Rang ablaufen könnte. Der emeritierte Kieler Professor Wolfgang Kersting übernahm schon vor fünf Jahren die Herausgeberschaft eines Suhrkamp-Bands, in der sich verschiedene Autoren an einer „Kritik der Lebenskunst“ versuchten. Philosophie dürfe nicht zu einem „Wellness-Service für das Lebensgefühl“ verkommen, heißt es in dieser Sammlung unter anderem.

 

Tatsächlich fällt der individualistische Zuschnitt der populärphilosophischen Angebote auf. „Kann ich mein Leben ändern?“ lautet der Titel der Sommerausgabe des „Philosophie-Magazin“. Damit greift die Zeitschrift den Titel eines Buchs von Peter Sloterdijk auf. Gerade bei Sloterdijk ist der Appell an den Einzelnen Bestandteil eines elitären Programms, in dem der Mensch zu immer größerer Marktförmigkeit getrieben werden soll. „Das Leben ist ein Zehnkampf“, sagt der Karlsruher Professor dementsprechend in einem Interview mit Eilenberger. In seinem Buch erklärt Peter Sloterdijk das ökonomische Gebot zur Mobilisierung aller Potenziale des Selbst, das seinen prägnantesten Ausdruck in der Formel von der „Ich-AG“ gefunden hat, zu einer anthropologischen Konstante.Aber auch so stellt sich die Frage, inwieweit die Zuwendung zum eigenen Ich einer Abwendung von kollektiven Versuchen, die Frage nach dem „guten Leben“ zu beantworten, gleichkommt und insofern apolitisch ist. „Wir wollten explizit das Problem aufwerfen, wie die Veränderung des eigenen Lebens mit der Frage zusammenhängt, wie Gesellschaft verändert werden kann“, sagt Eilenberger. Möglich, dass die Antworten darauf eher auf den von Occupy besetzten Plätzen als in einer Talkshow formuliert werden.

Alles dreht sich ums gute Leben