Ein buntes Unterhaltungsprogramm demonstrierte auf der Physikertagung anschaulich, wie unterhaltsam Wissenschaft sein kann.

Stuttgart - Physik ist längst nicht so trocken und bierernst, wie man vermuten könnte. Das zeigten in dieser Woche die entspannten und lockeren Mienen jenes jungen Völkchens Forschender, das den Campus der Universität Stuttgart überschwemmte und fast jeden Hörsaal in Beschlag nahm. Die Fachtagung der Physiker steht ganz im Zeichen den Nachwuchses. „Die meisten der Teilnehmer sind Studierende“, sagt Tagungsleiter Tilman Pfau.

 

Daher war auch die Nachwuchssektion der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) gefragt, als es um die Gestaltung des bunten Abendprogramms ging. Ein sogenannter Science-Slam war geplant, kam aber nicht zustande. „Das liegt an euch“, rief Matthias Mader von der jungen DPG einigen Hundert Physikerkolleginnen und -kollegen im Auditorium zu. Denn wer einen Slam sehen will, muss auch einen Slam machen. Der Slam ist eine Form von Kleinkunst, bei dem Freiwillige auf die Bühne steigen und für etwa zehn Minuten ihr Bestes geben – zum Genuss und zur Erheiterung des Publikums. Beim Poetry-Slam tragen Gelegenheitsdichter ihre Lyrik oder Prosa vor, den Science-Slam nutzen Forscher, um ein schönes Stück Wissenschaft unkonventionell und pointiert auf die Bühne zu bringen.

Einstein reicht als Zugpferd nicht

Die Physiker haben dabei einen Marketingvorteil: Sie nennen ihre Events natürlich Einstein-Slam. Doch das Zugpferd Einstein lockte am Dienstagabend keinen Studierenden, Doktoranden oder Lehrenden als Vortragenden auf die Bühne. Dabei hätte der Einstein-Slam der Stuttgarter Tagung und überhaupt der Universität gutgetan. In München, das über eine rege Kleinkunstszene verfügt, stellen sich jeden Monat Forscher auf die Showbühne. Mit dabei ist Matthias Mader, 24 Jahre alt, Masterstudent und Nachwuchsquantenoptiker. Der Münchner gab daher in bajuwarischer Leutseligkeit Nachhilfe und trat, weil sich sonst niemand fand, selbst vor das Publikum. Mit Physik hatte sein Vortrag aber wenig zu tun, ihm ging es ums Fasten.

Die Kunst des Forschers und Slammers besteht darin, in möglichst abwechslungsreichen und unerwarteten Assoziationen und Verknüpfungen das Thema neu und fürs Publikum interessant aufzurollen. Mader spannte daher einen weiten Bogen vom Gebot des vorösterlichen Fastens über die pseudowissenschaftlichen Anstrengungen im Mittelalter, alles Getier im, auf und neben dem Wasser – neben Fischen, Otter, Dachs, Biber bis zu Wasservögeln – als wohlschmeckende Ausnahme zu definieren, und die wohltuende und nahrhafte Wirkung des Münchner Starkbiers bis hin zur schwäbischen Maultasche.

Ein Science-Slam bringt nicht nur Forschung originell und unterhaltsam unter die Leute, der Slammer selbst gewinnt an Selbstbewusstsein und Ausdruckstärke vor Publikum, erklärt Mader. An diesem Abend hat er mit rund 30 Minuten den Slam eigentlich überdehnt. Das macht er natürlich nicht aus dem Stegreif. „Rund zwei Wochen musste ich mich schon dafür vorbereiten“, sagt er. Dieser Arbeitsaufwand – eine Story zu entwickeln, Bilder zu suchen und Gags einzuarbeiten – hat andere potenzielle Teilnehmer wohl abgeschreckt.

Spuk und Zauberei

Mit einem physikalischen Feuerwerk rundete Gert Denninger den Abend ab. Man konnte staunen, was in einem Stuttgarter Experimentalphysikprofessor steckt. Denninger zog alle Register, um sein Publikum – immerhin einige Hundert kritische Physiker – hinters Licht zu führen und zu unterhalten. So führt er vor, was Albert Einstein einst die „spukhafte Fernwirkung“ nannte: wenn zwei miteinander verkoppelte (Physiker sagen: verschränkte) Teilchen getrennte Wege gehen, weiß das eine stets, was das andere tut – egal, wie weit die Teilchen auseinander liegen. Bei Denninger funktioniert der Trick mit zwei gleichen Kartenpaaren. Zieht ein Zuschauer blind eine Karte, zieht der andere stets das Gegenstück dazu.

Denninger ist Hobbyzauberer und macht gelegentlich eine größere Show für das studentische Publikum. In einer Sache kann er sich aber durchaus mit den Profis der Zunft messen: Die Lösung kleinerer Tricks gibt er gern preis, die für die größeren Nummern verschweigt er. Und wenn nach der Show kritische Physiker seine Experimente auseinandernehmen wollen und nach langer Diskussion schulterzuckend aufgeben, dann hat er gezeigt: Physik erklärt fast alles, der Rest ist Zauberei.