Der Auftritt des Weltklassepianisten Markus Groh beim Rathauskonzert ist ein Heimspiel. Aufgrund der großen Nachfrage gibt der geborene Schmidener gleich zwei Konzerte für seine zahlreichen Fans.

Der in Schmiden geborene Tastenvirtuose wollte seine Fans nicht enttäuschen. Nachdem der offizielle Termin schnell ausgebucht war, bot Markus Groh ein Zusatzkonzert an. Wer den mit Lob und Preisen überhäuften Musiker hören will, kann mittags kommen. Im Interview erzählt der bodenständige Weltbürger von der Freiheit der Schulter, seinem Zopf und anderen Themen.
In einem Interview haben Sie Armgewichtsübungen erwähnt. Wie sehen die aus?
Das lässt sich so einfach nicht beschreiben. Es sind ganz einfach Übungen, die Hans Leygraf, mein wohl wichtigster Lehrer neben meiner allerersten Lehrerin Ursula Hausel aus Fellbach, am Anfang meines Studiums mit mir gemacht hat. Der Sinn davon ist einfach, ökonomisch zu spielen und alle Reserven aus dem eigenen Körper und dem Klavier zu mobilisieren, ohne allzu viele Muskeln unnötig anzuspannen. In erster Linie geht es dabei um die Freiheit in der Schulter, um einen vollen Klang im Fortissimo zu erreichen, der nicht hart, sondern voluminös ist.
Es gab einen Komponisten, der hat sich zum besseren Üben zwei Finger hochgebunden – und sie dadurch ruiniert. Wie weit würden Sie gehen?

Sie meinen sicherlich Robert Schumann. Er hatte einen komplizierten Apparat konstruiert, um 3. und 4. Finger unabhängiger zu machen, und sich dabei ein Nervenleiden zugezogen, das seine pianistische Karriere unmöglich machte. Dafür hat er aber um so wundervollere Werke für Klavier komponiert, was er vielleicht in dieser Anzahl und in dieser Qualität sonst gar nicht gemacht hätte. Ich selbst habe schon früh gelernt, dass man physisch nichts gewaltsam erzwingen sollte, nicht gegen den Körper angehen darf, schon gar nicht bei Schmerzen weiter üben sollte. Pianisten sind keine Profisportler. Ich halte von künstlichen Mitteln rein gar nichts. Das meiste Üben passiert doch im Kopf und mit den Noten in der geistigen Vorstellung.  Wie halten Sie sich sonst fit?

 

Wir wohnen in Berlin etwa einen Kilometer vom Schlachtensee entfernt, den ich gerne ein- bis zweimal pro Woche „umjogge“, wenn ich zu Hause bin. Etwas Gymnastik auch für unterwegs ist wichtig, Radfahren und Schwimmen mit den Kindern im Sommer. Ich rauche nicht und versuche, mich ausgewogen zu ernähren. Aber ab und zu ein Bier oder ein guter Wein, das schon.  Sie werden auch als „Pianist mit Zopf“ betitelt. Hat sich das als Markenzeichen verselbständigt, oder ist es Ihre persönliche Note?

Ich habe den Zopf seit 1993, also über 20 Jahre! Ja es ist so eine Art Markenzeichen geworden aber, mein Gott, es ist so viel darüber geschrieben worden! Manche finden das jetzt wieder cool, andere fanden es schon damals unmöglich, das war eigentlich schon immer so. Wenn ich lichte Stellen auf dem Kopf haben werde, kommt er allerdings ab.  Sie saßen mit vier am Klavier. Ab wann war der Berufswunsch Pianist unabänderlich?

Ich weiß nicht. Es hat sich eher so ergeben. Musik hat mir immer unheimlich viel bedeutet, und Klavierspielen hat mir immer großen Spaß gemacht. Mit 14, 15 kam nochmal so ein richtiger Schub. Dann die ersten Preise, der erste Klavierabend in Fellbach, das erste Mal mit Orchester in meiner Heimatstadt. Aber so richtig unumkehrbar war es erst mit etwa 23, als ich richtig vom Konzertieren leben konnte. Sie können sich laut einem Zitat mit Musik „in eine andere Welt beamen“. Wie sieht das praktisch aus? Hören Sie dann auch keine Huster mehr im Konzertsaal?

Huster können einen leider auch manchmal wieder plötzlich „zurückbeamen“!!! Nein, mal ehrlich: Im besten Fall wird man eins mit der Musik, die man gerade macht und spürt dann in extremen Fällen gar nichts anderes mehr. Zeit und Raum verschwinden dann einfach.  Und warum ist die Lebensdauer eines Pianisten höher als bei einem Komponisten?

Gute Frage, es scheint so zu sein, wobei viele der Komponisten im 18. und 19. Jahrhundert auch jung gestorben sind und dennoch sehr gute Pianisten waren. Ich denke, es liegt an der insgesamt positiven Wirkung von Konzerten auf den Organismus. Außerdem muss man sich fit halten. Und als Pianist darf man einige der größten und schönsten Musikwerke aller Zeiten im Kopf haben. Komponisten haben eher das Problem, dass ihnen manchmal nichts einfällt und man verwirft viel und ist immer auf der Suche und man ist mit einer eigenen Komposition noch weniger zufrieden als mit einer Interpretation.  Wie halten Sie es mit dem Komponieren?

Ich habe nur Kadenzen zu Mozartkonzerten veröffentlicht, auf die ich zwar stolz bin, es gibt auch Bearbeitungen von mir, aber richtige eigene Kompositionen: Nein, als Kind ja, aber mit 15 habe ich aufgehört.  Stimmt das mit dem Professoren-Titel?

Ja, klar. Ich bin mit 29 damals in Hannover zum Universitätsprofessor ernannt worden, habe dann aber viele Jahre pausiert mit dem Unterrichten, weil es mit Konzerten, Familie, Reisen et cetera einfach zuviel war. Seit 2014 bin ich Professor in Berlin.   Die Idee mit dem Zusatzkonzert ist ausgezeichnet. Haben Sie das schon mal gemacht und werden Sie es bei Bedarf wieder anbieten?

Das ist jetzt zum ersten Mal. Aber meine sonstigen Auftritte in Fellbach waren ja nie Soloabende in der Rathauskonzertreihe, die so zahlreiche Abonnenten hat. Viele hatten sich nach langer Zeit auf ein Konzert von mir in Fellbach gefreut und die wollte ich nicht enttäuschen. Beim nächsten Mal machen wir vielleicht wirklich gleich zwei Konzerte.  Nutzen Sie die Gelegenheit, sich mit Familie und/oder Freunden zu treffen?

Ja. Ich werde viele Familienmitglieder und Freunde wiedersehen!  Das Gespräch führte Gabriele Lindenberg