Piloten werden im Auswahlverfahren psychologisch getestet. Doch reicht das für die ganze Karriere? Kritiker bezweifeln das und fordern regelmäßige Tests. Doch Ausbilder sagen: „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.“

Frankfurt - Es ist seit Jahrzehnten ein Traumberuf für viele Jungen, und seit einigen Jahren auch für Mädchen: Pilot. Als Flugzeugführer in die weite Welt reisen, dabei auch noch gut verdienen und zwischendurch die „Freiheit über den Wolken“, die ja angeblich grenzenlos sein soll, zu genießen. Das ist der Traum. Die Realität sieht häufig anders aus. Entweder die Pilotinnen und Piloten fliegen nur von Punkt zu Punkt, sind zwar in Barcelona, London oder Paris, sehen aber nur den Flughafen. Oder sie müssen 14-Stunden-Tage durchstehen, um dann eine Nacht und ein paar Tagesstunden in Rio verbringen zu können, bevor es wieder zurückgeht.

 

„Wir wollen keine Überflieger, keine Einser-Kandidaten“

14 Stunden, in denen die Menschen im Cockpit die Verantwortung für die teure Maschine und vor allem für Hunderte von Menschen übernehmen. „Wir wollen keine Überflieger, nicht die Einser-Kandidaten aus dem Abitur“, erzählt ein Ausbilder. Als Voraussetzung für die Bewerbung an der Verkehrsfliegerschule in Bremen sind vielmehr Verantwortungsbewusstsein, Disziplin, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit gefragt. Die Auswahl der Bewerber hat die Lufthansa an das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ausgelagert, um eine rein fachlich orientierte Auswahl treffen zu können. Drei Tage lang werden die Bewerber auf Herz und Nieren geprüft. In der Berufsgrunduntersuchung (BU) werden das mathematisch-physikalische und technische Wissen der Kandidaten, ihre Englischkenntnisse sowie die Fähigkeit zur Mehrfachbelastung und zur Stressresistenz geprüft. Wer die BU erfolgreich absolviert hat, durchläuft anschließend eine zweitägige Prüfung, die sogenannte Firmenqualifikation. Dabei geht es nicht nur erneut um die intellektuelle Flexibilität und Belastbarkeit, sondern auch um soziale Fähigkeiten wie das Verhalten in der Gruppe und die Kommunikationsfähigkeit.

Bis zu 95 Prozent der Bewerber fallen durch

Außerdem führen Luftfahrtpsychologen ein ausführliches Interview mit jedem Bewerber. Dabei stellen sich die Experten weitere Fragen: Haben die Kandidaten ein ausreichendes Verantwortungsbewusstsein? Welche Wertorientierung haben sie? Sind sie zu Selbstreflexion und Selbstkritik fähig? Die Durchfallquote ist hoch: je nach Jahrgang werden bis zu 95 Prozent der Bewerber abgewiesen und bekommen bei der DLR keine zweite Chance. Die erfolgreichen Kandidaten dürfen dann mit der bis zu 33 Monate dauernden Ausbildung, die 70 000 Euro kostet, zum Piloten beginnen. Dabei stehen sie aber weiterhin unter Beobachtung, jede Auffälligkeit kann zum Ende der Ausbildung führen.

Ob Katastrophen wie die jetzige verhindert werden könnten, wenn man die Piloten künftig auch nach der Ausbildung regelmäßig psychologisch untersuchen würde, halten Experten für fragwürdig. „Kein Beruf wird stärker überprüft als der des Piloten, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht“, sagt ein Ausbilder. So sieht das auch Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und selbst Flugkapitän auf einer Airbus A320 bei der Lufthansa. „100 Prozent Schutz wird es gegen die Eventualitäten im Leben nie geben“, sagt Handwerg. Die Lufthansa habe einen sehr umfassenden Einstellungstest mit psychologischer Begutachtung. „Es ist schwer vorzustellen, wie das noch verbessert werden könnte.“