Radkuriere mit vierrädrigen Cubicycles düsen derzeit durch die Innenstadt und ersetzen den klassischen Lieferverkehr. Die Tesphase mit neuen Rädern läuft erfolgreich.

Stuttgart - Paketfahrer sind so etwas wie das letzte Glied in einer Kette. Am Anfang steht der Konsument, dazwischen irgendwo die Online-Händler und die in Deutschland am stärksten wachsende Branche: die die Logistikunternehmen. Für jene Unternehmen, sei es Hermes, DHL oder UPS, karren die meistens schlecht bezahlten Paketfahrer ihre Päckchen in einer Ochsentour durch die Stadt. Und damit bekommen sie oft den Frust der Passanten in der Innenstadt ab, wenn sie mit ihren Lieferfahrzeugen die Fußgängerzonen blockieren.

 

Richtig heftig wird es, wenn die Paketlieferanten nach elf Uhr auf den Bürgersteigen stehen. Dann regt sich der Bürgerzorn besonders stark. „Ich kann doch auch nix dafür. Aber die Zeit reicht vorne und hinten nicht“, sagen die Fahrer dann in der Regel und meinen: das Zeitfenster ist zu knapp. Die meisten Läden in der City öffnen erst um 10 Uhr. Für den Paketfahrer bedeutet das: In nur einer Stunde bis 11 Uhr soll er sein ganzes Tagewerk verrichten. Oder aber bis 18 Uhr, wenn die Belieferung wieder erlaubt ist. Beides ist unmöglich. Die meisten haben sich schon daran gewöhnt, dass man hier den Sack prügelt und den Esel meint.

Neues Lebensgefühl

Ein ganz neues Lebensgefühl hat jedoch Levente Zavodi, Paketfahrer bei DHL. Statt böser Worte fliegen dem Mann seit einiger Zeit nette Worte und Blicke entgegen. Der Grund: Zavodi sitzt nicht auf dem Bock eines Mercedes-Sprinter, sondern auf einem Fahrradsattel. Zavodi ist Teil eines Versuchs. „Seit knapp fünf Monaten sind wir jetzt unterwegs. Und bisher sind die Erfahrungen durchweg positiv“, sagt er, „es kommt nur positive Rückmeldung von den Leuten und ich muss keinen Parkplatz mehr suchen.“ Unterm Strich erspart ihm das pro Tag eineinhalb Stunden Zeit. Letztlich macht die Umstellung aufs E-Bike auch etwas mit seinem Gewissen und seinem Selbstwertgefühl. „Ich bin jetzt grün“, sagt er, „schließlich leben wir Fahrer in derselben Stadt wie alle anderen auch.“

Jährlich soll diese Form der Paketzustellung in ganz Deutschland über 16 Tonnen CO2 einsparen. Ein Kurier soll dabei bis zu 90 Pakete pro Fahrt transportieren können. Die Pakete werden vom Postdepot in der Ehrmannstraße an die Tauschstation in der Kienestraße am Haus der Wirtschaft gebracht.

An diesem kleinen Depot laden die Fahrradkuriere immer wieder die die bis zu 165 Kilogramm schweren Boxen auf ihr vierrädriges Cubicycle. Denn die Boxen haben Rollen, der Anhänger Schienen. Alles ist aufeinander abgestimmt. Bereits seit 2014 ist DHL mit Elektro-Rädern unterwegs. Das neue, vierrädrige Modell ist jedoch größer und stärker alte Lastenrad. Die neuen Cubicycles kosten rund 10 000 Euro und wurden von DHL mitentwickelt. Ein Elektromotor unterstützt die Kuriere beim radeln. Die Reichweite der Räder beträgt pro Akkuladung im besten Fall rund 50 Kilometer.

Weitere Innenstadtbezirke geplant

„Es ist eine feine Sache“, sagt Levente Zavodi. Aber Clou an dieser Sache sei: „Ich lerne gerade meine eigene Frau ein.“ Nun fährt Veronika Zavodi die Tour in Teilzeit mit weiten Kollegen die zwei Bezirke in der Innenstadt aus. Der eine Bezirk reicht von der Universität bis zur Tauschstation, der andere von der Tauschstation bis in die Fritz-Elsass-Straße. Nach der Testphase sollen noch zwei weitere Innenstadtbezirke folgen.

Damit wird von DHL derzeit umgesetzt, was Sebastian Bühler von der Firma Velo-Carrier schon lange vorschwebt. Von einem stadtnahem Logistikzentrum kommen viele Kleinsendungen von großen Transportern per Tauschstation auf kleinere Einheiten wie Elektromobile oder eben Fahrrad-Kuriere. „Denn am Ende geht es um die letzte Meile hin zum Kunden und die erste Meile der Abholung vom Kunden“, sagt Bühler.

Doch für Levente Zavodi ist die schöne Zeit auf dem Rad bald zu Ende. Denn die DHL-Radkuriere arbeiten nach der Testphase nur in Teilzeit. Immerhin: Davon profitiert nun seine Frau Veronika. Sie fährt von 8.30 bis 14 Uhr Päckchen aus und kümmert sich anschließend ab 15 Uhr um die zwei Kinder, die dann von der Kita und der Schule kommen.