Weil die Zahl der Unfälle mit Pedelecs steigt, haben die Fahrradfahrerverbände ein Schulungsprojekt gestartet. Im Kreis Böblingen sind dafür jetzt die Lehrer ausgebildet worden, flächendeckend soll es Kurse für mehr Sicherheit im Verkehr geben.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Der Landrat verhält sich natürlich vorbildlich: Roland Bernhard macht die Übungen mit dem Elektrofahrrad als Erster im Kreis Böblingen. Punktgenaues Bremsen zählt ebenso zum neuen Fahrsicherheitstraining wie eine Slalomfahrt um die Leitkegel herum. Böblingen ist einer von vier Landkreisen in Baden-Württemberg, in dem das Projekt „Radspaß – sicher E-Biken“ jetzt umgesetzt wird. „Darauf sind wir stolz“, sagt der Landrat bei der Vorstellung der ersten eigens dafür ausgebildeten zehn Trainer. Die Kurse sind für die Teilnehmer in der Startphase kostenlos und von nun an buchbar. Etwa 20 Kurse sollen allein dieses Jahr angeboten werden.

 

Die Unfallzahlen steigen

Die Idee für das Fahrsicherheitstraining stammt vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und vom Württembergischen Radsportverband (WRSV). Die Polizei liefert mit ihrer Unfallstatistik eine gute Begründung dafür. Die Zahl der E-Bikes auf den Straßen steigt: Laut der deutschen Fahrradindustrie hat inzwischen knapp jedes vierte neu verkaufte Fahrrad in Deutschland einen Elektromotor. Mit der Beliebtheit nehmen auch die Unfälle zu. In den Kreisen Böblingen und Ludwigsburg registrierte das Polizeipräsidium Ludwigsburg im vergangenen Jahr 201 Unfälle, an denen Pedelecs beteiligt waren. Mit 115 dieser Unfälle haben die E-Bike-Fahrer mehr als die Hälfte aller Zusammenstöße selbst verursacht, und 46 Pedelecnutzer wurden schwer, 152 leicht verletzt. Im Jahr 2018 gab es sogar einen Todesfall.

„Viele Einsteiger erschrecken, wie das Ding abgeht“, sagt Wolfgang Hassler. Der 66-Jährige bietet beim ADFC Radtouren an und hat sich zum Trainer für das E-Biken ausbilden lassen. Das Problem seien die Beschleunigung und die Geschwindigkeit sowie das größere Gewicht des Fahrrads, erklärt er die Gefahren. Die Trainerausbildung und das Kursangebot hält er deshalb für „eine tolle Geschichte“: Zwei Tage lang hat sich der ADFC-Tourenleiter im Landratsamt Böblingen schulen lassen. Die verschiedenen Übungen wurden dabei ebenso durchexerziert wie die Straßenverkehrsordnung. Ein Schulungshandbuch hat er für seinen Unterricht erhalten, in dem viele Verkehrssituationen zum Nachspielen stecken. „Es ist nicht trocken, es macht richtig Spaß“, sagt Wolfgang Hassler über das Sicherheitstraining.

Auf jedes Niveau wird eingegangen

Ein großes Thema ist in den Kursen beispielsweise das Anfahren und das Bremsen. „Beim Absteigen springen Frauen oft neben das Fahrrad“, berichtet der 66-Jährige beispielsweise aus seiner Erfahrung. Genau diese Angewohnheit ist falsch und kann zu Stürzen führen. Mit verschiedenen Übungen werden die Fahrtechnik und damit die Koordination und die Reaktionsfähigkeit der Pedelecfahrer geschult. Dafür baut der Seminarleiter einen Parcours auf, die Kurse finden oft auf den Verkehrsübungsplätzen der Verkehrswacht statt. Aber auch für erfahrene Radfahrer würde sich der Besuch des Trainings lohnen, findet Wolfgang Hassler – allein schon für „das Update der Verkehrsregeln“. Er hat jedenfalls gelernt, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse seiner Teilnehmer einzugehen.

In der Region Stuttgart wird „Radspaß – sicher E-Biken“ noch im Rems-Murr-Kreis angeboten, weitere Pilotkreise sind Tübingen und Konstanz. Das Projekt wird vom Landesverkehrsministerium mit 800 000 Euro gefördert. „Radfahren macht Spaß, aber birgt Probleme“, sagt der für das Kursprogramm zuständige ADFC-Bildungsreferent Benedikt Glitz. Wer sein Pedelec gut beherrsche und wisse, worauf es ankomme, fahre sicherer durch die Welt und kommt entspannter ans Ziel, wirbt er für die Teilnahme.

Der Landrat Roland Bernhard, unter dessen Regie der erste Radschnellweg des Landes gebaut worden ist, hat auch einen Trainer ausbilden lassen, der Kurse allein für die rund 2200 Mitarbeiter des Landratsamtes anbietet. Er hält das Pedelec für ein umweltfreundliches und zukunftsgerichtetes Fahrzeug – und hofft, dass immer mehr Pendler auf diese Alternative zum Auto umsteigen werden. „Es ist wichtig, dass es beim Spaß bleibt und nicht zu Unfällen kommt“, findet der Landrat.