Die Sängerin Pink hat am Mittwochabend in der Schleyerhalle ihre Show gezeigt. In ihrem „Funhouse“ geht es sehr athletisch zu, die Sängerin zeigte ein sehr artistisches Bühnenprogramm.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Selten fällt es so leicht, über einen Auftritt zu schreiben, wie bei der Musikerin Alecia Beth Moore. Die Sängerin und Songschreiberin aus Pennsylvania, die es unter dem Künstlernamen Pink zum kommerziell zweiterfolgreichster weiblicher Popstar der Welt gebracht hat, verfügt nämlich eigens über einen Wikipediaeintrag, der sich nur mit ihrer aktuellen Tournee beschäftigt. Dort lässt sich über die „The Truth about Love Tour“ nachlesen, dass sie am 13. Februar mit einem Auftritt in Phoenix begann und am 14. Dezember in Atlanta enden wird und die amerikanische Sängerin und Songschreiberin dazwischen 132 weitere Konzerte rund um den Globus absolviert haben wird.

 

Dort steht zudem, dass die Show immer mit dem Song „Raise your Glass“ beginnen und mit dem Song „Blow me (one last Kiss)“ enden wird, ehe es in der einzigen Zugabe stets „So what“ und „Glitter in the Air“ zu hören gibt. Und dass dazwischen 18 weitere Lieder gespielt werden, in der bewährt-berühmt-berüchtigten Abfolge von alten Hits sowie Songs aus ihrem noch relativ neuen Album, das im September erschien und sich noch immer munter im vorderen Feld der deutschen Albumcharts hält. Exakt so kam es auch am Mittwochabend in der ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle, in der Pink Konzert Nummer 47 dieser Tournee absolvierte, auf der Durchreise aus Zürich (wo sie am Vorabend auftrat) nach Skandinavien (wo sie am Samstagabend in Oslo gastieren wird).

Und damit könnte man es auch schon bewenden lassen, denn vorhersehbarer, erwartbarer, berechenbarer und überraschungsfreier könnte ein Konzert ja gar nicht über die Bühne gehen. Sodass man sich allenfalls noch fragen könnte, warum sie sich, ihren Mitmusikern, zwei Backgroundsängerinnen sowie dem weiteren Begleitpersonal diese Mammutödnis antut. An Geldsorgen kann es gewiss nicht liegen, die einstige McDonald’s-Angestellte dürfte wie eingangs erwähnt nach Madonna die mittlerweile zweitreichste Popsängerin der Welt sein. An Profilierungssucht sowie dem Wunsch nach Bestätigung wohl auch kaum – Pink hat zig Millionen Alben verkauft, schon drei Grammys abgeräumt und verzichtet auf dieser Tournee und mithin auch in Stuttgart sogar darauf, einige ihrer großen Hits wie „Don’t let me get me“ oder „Get the Party started“ zu singen. An der Lust darauf, ihr Repertoire in ein ganz anders klingendes Livegewand zu kleiden, liegt es jedenfalls auch nicht; ihre fünfköpfige Band spielt die Stücke routiniert, aber doch sehr nahe an den Studioversionen – die einzige, die sich beständig in neue Gewänder hüllt, ist Pink.

Pink sieht in der Tour eine sportliche Herausforderung

Nein, diese Pink scheint eine Tournee vielmehr als sportliche Herausforderung zu betrachten. Schon ihre letzten Tourneen hatten ähnlich riesige Umfänge, 2009 spielte sie innerhalb eines Jahres sogar drei Mal in Stuttgart. Und sportlich ist auch ihr Auftreten auf der Bühne. Fast schon an das Mannheimer Turnfest fühlt man sich erinnert, wie sie zu Konzertbeginn aus dem Boden katapultiert den Akrobaten an der Hallendecke entgegenschnellt, sich höchst artistisch in den Trapezkünstlerhänden windet und anschließend abseilt. Oder wie sie zum Konzertende nur von zwei Drähten gehalten buchstäblich durch die ganze Halle fliegt und dabei wie eingangs kopfüber (!) auch noch singt. Keine Frage: die drahtige Dame mit dem einstigen Faible für illegale Stimulanzien, die 1995 noch fast an einer Überdosis gestorben wäre, ist körperlich topfit. Aber auch nur so kann man eine solche Riesentournee meistern. Ebenfalls interessant ist die Imagekorrektur, die Pink vorgenommen hat. Lavierte sie vor einigen Jahren noch etwas unentschlossen zwischen Familientauglichkeit und Riotgirl, geht es nun in der Schleyerhalle durchaus deftig zu. Die Songs heißen „F**kin’ perfect“ oder „Slut like you“, Verse darin künden von „Taste of Scotch and smell of Crotch“, besonders der schwarze Backgroundtänzer schwingt ostentativ sein Becken, der Clown, der ebenfalls Teil des „Funhouse“ ist, erzählt zwischendurch etwas von „Nipple Clamps“ – die ganze Show ist ganz schön frivol konnotiert.

Sie ist und bleibt allerdings mehr Show als Konzert. Wie erwähnt wirkt ein Clown von seinem Vorspiel an mit, ein Rudel Tänzerinnen und Tänzer sowie allen Ernstes die knapp zweijährige Tochter von Pink. Eine ganze Lastwagenarmada steht hinter der Halle, um die üppigen, einem Vergnügungspark nachempfundenen Bühnenkulissen zu spedieren. Den hinteren Reihen nahegebracht wird der Bühnenzinnober mit mehr Leinwänden als der Showroom eines durchschnittlichen Elektronikmarkt bietet. Und die Hauptdarstellerin selber wechselt ein halbes Dutzend Mal den Aufzug, mal zur Ballade schneeweiß gewandet am schneeweißen Flügel, mal in strammem Lackleder. Herrje.

Was ironisches Zitat und was bloß Kitsch ist, bleibt bei dieser Show bisweilen im Vagen. Ihren Herzenswunsch, vor allen Dingen als eigenständige Künstlerin und in erster Linie als Songwriterin wahrgenommen zu werden, treibt Pink auch damit natürlich nicht voran. Wie man indes ein Spektakel bietet, das weiß sie sehr wohl.