Lebkuchen zu früh im Jahr, die Lieder zu kitschig, der Glühwein zu süß – es gibt viele Gründe, den Weihnachtswahnsinn zu kritisieren. Aber es gibt noch viel mehr, ihn zu lieben. Ein Plädoyer für Weihnachten.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Stuttgart - Den allgegenwärtigen Weihnachtsterror zu beklagen ist ungefähr so originell wie die oft gehörten Beschwerden über die riesige Warenauswahl im Supermarkt. Abhilfe wäre einfach: ignorieren! Aber das scheint viele Menschen zu überfordern. Lieber reihen sie sich ein in den Moser-Mainstream, der gerne auch noch die Zeiten beschwört, als Telefone zuhause nur an der Wand in grau, grün oder orange zu finden waren. Es geht dabei offensichtlich nicht darum, in die guten alten Zeiten zurückzukehren – dafür müsste man nur entsprechend leben.. Die Mäkelei hat ausschließlich kommunikative Gründe.

 

Seit es aus der Mode geraten ist, über seine(n) Alte(n) abzulästern, ist Motzen beim Smalltalk eng verbunden mit dem VfB oder eben Weihnachten. Lebkuchen im September – der Untergang des Abendlandes! Wham im Oktober – Gefahr von Ohrenkrebs! Christbäume im Oktober – Umweltfrevel! Glühwein im Dezember – Detox-Alarm! Geschenkberge an Weihnachten – Konsumwahnsinn! Ehekrach am zweiten Feiertag – die übersteigerten Erwartungen!

Bing Crosby zur fetten Gans

In fast allen Lebensbereichen herrscht mittlerweile weitgehend Entscheidungsfreiheit. Welcher Urlaub, welcher Partner, welche Wohnform – meine Sache. Diese machmal anstrengende Wahlfreiheit im Großen und im Kleinen scheint für Weihnachten nicht zu gelten. Ein Haufen Christenfest-Apostel, oder besser Pharisäer, lassen jedes Jahr wieder die gleichen Phrasen los, anstatt die Menschen selbst entscheiden zu lassen. Ich esse gerne Lebkuchen im Herbst, und wenn ich Angst hätte, sie satt zu haben an Weihnachen, würde ich es einfach lassen. Ich finde sogar Bing Crosby noch lustig, und wenn es mir zuviel wird, höre ich weg oder verlasse das Kaufhaus. Und was gibt es alles für lustige Chrismas-Variationen von Leuten, denen man das nie zugetraut hätte. Wem der Glühwein nicht schmeckt, soll sich einen anderen Stand suchen oder ein anderes Getränk (Feuerzangenbowle!) oder zuhause bleiben. Und meinen Christbaum (nicht aus China!) liebe ich so sehr wie meine Krippenfiguren aus Südtirol. Gebratene Gans gibt es deshalb nur einmal im Jahr, weil ich sonst fett werden würde.

Hier geht’s zur Weihnachtsmarkt-Übersicht in Stuttgart und Region

Selbstgemalt ist gut gemeint

Wieviel ich schenke, bestimme ich – ob Päckchenberge oder ein selbstgemaltes Bild. Weihnachtskulinaria schmecken mir, die Traditionen rühren mich an und die Weihnachtsgeschichte ist in ihrer Humanität zeitlos schön und wichtig. Sie hat ihren Platz neben all dem anderen – welchen, bestimme ich, genauso wie der Ort, an dem ich Weihnachten feiere. Und wem das alles nichts gibt oder wem es zuviel wird, hat die völlige Wahlfreiheit, seine Jahresendfeier mit Ananaswürfeln und mexikanischem Bier zu begehen. Von mir aus!