Im Jahr 1999 wurde Johanna aus dem Leben gerissen. Ein heute 42-Jähriger soll das Kind damals getötet haben. Doch wie ist er dafür zu bestrafen? Die Auffassungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gingen bei den Plädoyers weit auseinander.

Gießen - Fast 20 Jahre nach dem Tod der kleinen Johanna in Hessen ist für die Staatsanwaltschaft klar: „Es war Mord und kein Unfall.“ Der Angeklagte habe sich „in ganz besonders egoistischer Weise über den Lebensanspruch dieses achtjährigen Kindes hinweggesetzt“, sagte der Anklagevertreter Thomas Hauburger am Freitag im Landgericht Gießen. Der heute 42-Jährige habe im September 1999 Johanna aus der Wetterau entführt, betäubt, gefesselt und ihren Kopf mit Klebeband umwickelt, wodurch sie erstickt sei. Der Prozess hatte vor sechs Monaten begonnen.

 

„So etwas nennt man Mord“, sagte der Staatsanwalt und forderte, wie auch die Nebenklage, eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem soll das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellen, was eine vorzeitige Haftentlassung in den allermeisten Fällen ausschließen würde. Die Verteidigung sah dagegen einen Mann, der wegen seines Drogenkonsums „gar nichts im Griff hatte“ und plädierte auf Totschlag. Ein Strafmaß nannte Rechtsanwalt Uwe Krechel nicht. Er will für seinen Mandanten aber eine Unterbringung in einer Entzugsklinik erreichen.

Familie leidet heute noch

Auch Johannas Mutter ergriff als Nebenklägerin das Wort und berichtete, mit den Tränen kämpfend, wie die Tat ihre Familie und Freunde über all die Jahre belastet habe. „Der Schmerz vergeht nicht.“ Noch immer sehe sie ihre Tochter vor sich und frage sich, wie wohl ihr Leben verlaufen wäre. „Sie hatte nie die Chance, es zu leben.“ Johanna sei darum von der „Gier“ eines anderen Menschen betrogen worden. Und dafür solle der Täter eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.

Mehrere Stunden lang wurde am Freitag im voll besetzten Gießener Schwurgerichtssaal plädiert. Weder Staatsanwaltschaft, Nebenklage noch Verteidigung sparten dabei mit deutlichen Worten. Der Angeklagte blickte während der ganzen Zeit mit gesenktem Kopf vor sich auf Akten, einen Stift in der Hand haltend.

Urteil am 19. November erwartet

Staatsanwalt Hauburger warf ihm vor, dem Gericht „ein schlecht erzähltes Märchen“ mit immer neue Varianten zum Tatablauf aufgetischt zu haben. Der 42-Jährige hatte zu Beginn des Prozesses zugegeben, Johanna nach dem Konsum von Drogen entführt zu haben. Er bestritt aber den angeklagten sexuellen Missbrauch und auch einen Mord. Den Tod des Mädchens stellte er als Unfall dar.

Ermittlungen in einem anderen Missbrauchsfall hatten die Polizei auf die Spur des Mannes gebracht, festgenommen wurde er im Oktober 2017. Das Urteil soll am 19. November verkündet werden.