In der Steuerpolitik lassen Union und SPD keinen Ehrgeiz erkennen. Es war der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der versucht hat, eine Leitlinie für die Steuerpolitik zu formulieren. Für den Wahlkampf formulierte er das Steuerversprechen der Union: Schäuble wollte sich an der Steuerquote für 2014 orientieren, also dem Jahr, in dem der Bund erstmals eine schwarze Null auswies. Auf diesem Stand sollte die Steuerquote verharren. Zurzeit liegt die Steuerquote bei ungefähr 22,5 Prozent. Schäuble gestand somit einen halben BIP-Punkt an Entlastung zu: Das heißt, dass die Einkommensteuer um 15 Milliarden Euro pro Jahr gesenkt werden kann – so wollte es Schäuble.

 

Wirtschaftsflügel der Union ist unzufrieden

Doch davon ist nun keine Rede mehr. Es ist zwar vorgesehen, dass von der „Soli“-Entlastung Steuerzahler mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen bis zu 60 000 Euro profitieren. Immerhin sollten in vier Jahren 90 Prozent der Steuerzahler keinen Soli mehr berappen. Doch schon heute zahlen rund 40 Prozent der Steuerzahler keinen Soli, weil ihr Einkommen unter den Freigrenzen liegt. Der Wirtschaftsflügel der Union ist enttäuscht, hält sich aber zurück, um die Regierungsbildung nicht zu gefährden. Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, macht seine Zustimmung davon abhängig, dass sich die SPD an die Leitlinien im Sondierungspapier hält. „Wenn die Sozialdemokraten das Sondierungsergebnis nachbessern wollen, entfällt die Geschäftsgrundlage“, sagte von Stetten unserer Zeitung. Falls die SPD in den Koalitionsverhandlungen etwa auf Nachbesserungen im Arbeitsrecht beharre, „dann machen auch wir das Fass wieder auf“, sagte Stetten. Konkret heißt das: Der Wirtschaftsflügel will größere Entlastungen durchsetzen. Unzufrieden zeigen sich auch die Wirtschaftsverbände. Der Industrieverband BDI spricht von „minimalen Entlastungen“. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger sagte: „Es ist erschreckend, dass lediglich die Verhinderung einer Steuererhöhung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen als Erfolg verkauft wird.“ Steiger plädiert dafür, den Steuerzahlern Geld zurückzugeben – „die wissen schließlich am besten, wofür sie es verwenden möchten.“

Union und SPD wollen in den nächsten Jahren Milliardenprogramme für Bildung, Kommunen und Wohnungsbau auflegen. Immerhin soll es auch eine Senkung von Sozialbeiträgen geben. An die Steuerzahler denkt die Politik zuletzt. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Verhandlungsteams für eine Große Koalition zur Hälfte aus Landespolitikern bestehen. Die Ländervertreter achten vor allem darauf, dass Länder und Kommunen gut wegkommen. Käme es zu Einkommensteuersenkungen, müssten die Länder die Hälfte der Steuerausfälle übernehmen. „Das sind Verhandlungen zu Lasten Dritter“, meint ein Bundespolitiker, der an den Koalitionsgesprächen beteiligt ist. Das Nachsehen haben die Steuerzahler.