Die Bundesregierung will mit einem „Zukunftsbündnis Schiene“ das Zugfahren attraktiver und günstiger machen. Die Ziele sind ehrgeizig – und wurden von der Politik leider schon mehrfach verfehlt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Wenn Politiker große Versprechen für die Zukunft machen, ist gesunde Skepsis meist nicht fehl am Platz. Andererseits kann es kein Fehler sein, wenn Minister den umweltschonenden Schienenverkehr mehr nach vorne bringen wollen. Die Bundesregierung hat sich das im Koalitionsvertrag zumindest langfristig zum Ziel gesetzt.

 

Der Mann, der die Pläne befördern soll, heißt Andreas Scheuer. „Wir wollen den Wow-Effekt beim Bahnfahren“, sagte der Bundesverkehrsminister in Berlin. Nach einem Treffen mit Branchenvertretern kündigte der CSU-Mann ein „Zukunftsbündnis Schiene“ von Politik, Wirtschaft und Verbänden an, das der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann, leiten wird.

Zugfahren müsse „einfach, günstig, komfortabel und verlässlich sein“, sagt Scheuer und formuliert damit ein Ziel, das eigentlich selbstverständlich sein sollte. Allerdings weiß jeder Bahnfahrer, dass die Realität in Deutschland leider meist anders aussieht. Überfüllte, teure und unpünktliche Züge, triste Bahnhöfe, komplizierte Tarifsysteme – es gibt jede Menge Verbesserungsbedarf, und das teils seit Jahrzehnten und trotz vieler Bündnisse in der Vergangenheit.

Die Zahl der Fahrgäste soll sich bis 2030 verdoppeln

Klar ist: Nur mit einem massiven Ausbau des Schienenverkehrs lassen sich die Verkehrs- und Klimaprobleme zumindest lindern. Dafür muss die Bahn aber zur attraktiven Alternative zu Auto und Flugzeug werden. Union und SPD wollen erreichen, dass sich bis 2030 die Zahl der Fahrgäste im Fernverkehr verdoppelt. Zudem soll Güterverkehr auf die Schiene gebracht werden, so Scheuer. Das Zukunftsbündnis solle dafür sorgen, dass „das umweltfreundlichste Verkehrsmittel der digitalen Gesellschaft für die Menschen zur Leidenschaft wird“.

Dafür gibt es wahrlich viel zu tun. Der Bund werde Rekordmittel in Ausbau, Modernisierung und Lärmschutz investieren, betont Ferlemann. Die Schienenwege seien „die Lebensadern unseres Landes“ und müssten gestärkt werden. Das Bündnis bringe alle Beteiligten an einen Tisch. Bahnfahren solle „schneller, pünktlicher, leiser und innovativer werden“.

Vor allem die bundeseigene Deutsche Bahn AG darf das als klare Vorgabe verstehen, besser zu werden. Eine Maßnahme: mehr Züge. Mitte Juni soll der Aufsichtsrat des Staatskonzerns die Bestellung von 18 neuen ICE bei Siemens absegnen.

119 rot-weiße Flitzer der vierten Generation sind schon geordert und sollen nun zum Teil in längeren Versionen mit mehr als 900 Sitzplätzen geliefert werden. Damit will die DB vor allem auf stark gefragten Rennstrecken zwischen Großstädten fahren.

Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen sollen vorangetrieben werden

Das Zukunftsbündnis umfasst viele Maßnahmen, die bereits laufen oder über die seit teils vielen Jahren geredet wird. Dazu gehört die Einführung des Deutschland-Taktes für mehr Pünktlichkeit und rasche Anschlüsse. Aufeinander abgestimmte Fahrpläne sollen für Verbindungen im Fernverkehr sorgen und der Ausbau der Infrastruktur sich daran orientieren. In der Schweiz gibt es den Taktverkehr schon seit Langem. Zum Ausbau der Kapazitäten im Netz werden Milliardensummen in das neue Zugleitsystem ETCS und die Elektrifizierung gesteckt. Damit private Bahnen im Wettbewerb mehr Chancen haben, sollen die Regeln zur Trassenvergabe und -preisgestaltung weiterentwickelt werden.

Auch Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen sollen vorangetrieben werden, zum Beispiel das autonome Fahren auf der Schiene und die Elektromobilität mit Brennstoffzellentechnik. Weiteres Ziel sind der Lärmschutz am Gleis und der Einsatz leiserer Züge. Bis nächstes Frühjahr will das Bündnis die Schritte zur Umsetzung gemeinsam erarbeiten.

Das Management der täglich mehr als 800 Baustellen im deutschen Schienennetz soll ein weiteres Maßnahmenpaket verbessern, das Unternehmen und Verbände auf den Weg gebracht haben. Vor allem private und kommunale Bahnen beklagen seit Jahren, dass die zuständige DB Netz zu wenig kundenorientiert agiere und baustellenbedingte Verspätungen und Ausfälle sich unnötig häuften. Künftig sollen Anreizsysteme und bessere Risikoverteilung für reibungslosere Bauprozesse und Kommunikation sorgen.