In der deutschen Asylbürokratie weiß die rechte Hand bisweilen nicht, was die linke tut. Diese Ahnungslosigkeit ist auch ein Sicherheitsrisiko, wie der Fall des Polizei-Attentäters von Paris zeigt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wer war Walid Salihi wirklich? Der Mann wollte vergangene Woche in Paris Polizisten massakrieren. Man hat ihn erschossen, bevor er Unheil anrichten konnte. Die Hintergründe des Falles offenbaren Schwachstellen des deutschen Asylsystems. Die Spur des Attentäters führt nach Recklinghausen. Dort lebte der Mann in einer Asylunterkunft. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, war er aber nicht nur dort, sondern allein in Deutschland an vier Stellen registriert. Mit sieben verschiedenen Identitäten trickste er die Polizei in ganz Europa aus.

 

Das deutsche Ausländerzentralregister verzeichnet den Angreifer von Paris als einen 1995 in Casablanca geborenen Marokkaner. Er hatte sich auch mal als Syrer ausgegeben. Am 1. Dezember 2013 reiste der Mann nach Angaben des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen erstmals in Bundesrepublik ein. Laut Ausländerakte soll er zuvor fünf Jahre illegal in Frankreich gelebt haben. Auch in Luxemburg und Schweden war er schon. Mittlerweile gilt als sicher, dass er aus Tunesien stammt.

Das Foto des Landeskriminalamtes NRW zeigt den Attentäter von Paris. Ob es tatsächlich Walid Salihi ist, ist allerdings offen. Foto: dpa
Der verhinderte Terrorist war kein unbeschriebenes Blatt. Er war wegen etlicher Vorstrafen aktenkundig. Sein Sündenregister umfasste eine lange Liste von Delikten: Erschleichung von staatlichen Leistungen, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Drogenhandel. Der Mann musste mehrere Haftstrafen absitzen. Er war in Iserlohn, Heinsberg und Bochum im Gefängnis. Ein Verfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurde eingestellt, weil bei ihm nur eine Gaspistole gefunden wurde. 2014 soll er auf einen Obdachlosen eingedroschen und in einem Kölner Club eine Frau begrapscht haben.

Strobl: Pariser Fall sehr abenteuerlich

Sicherheitsexperten halten es für möglich, dass der Polizei-Attentäter unter verschiedenen Namen mehrfach Sozialhilfe kassierte. Es sei durchaus denkbar, dass Polizei und Ausländerbehörden ein halbes Dutzend mal dessen Fingerabdrücke gespeichert hätten, ohne dass die verschiedenen Instanzen davon wussten, da ihre Dateien nicht vernetzt sind. Thomas Strobl, in der Unionsfraktion für Innenpolitik verantwortlich, nennt den Fall „sehr, sehr abenteuerlich“.

Damit es Leute wie Salihi – oder wie immer der Islamist auch geheißen haben mag – in Zukunft nicht mehr so leicht haben, will der Bund den Datenaustausch zwischen Polizei und Asylbehörden verbessern. Ein entsprechendes Gesetz wird der Bundestag am Donnerstag beschließen. Es sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge schon beim Grenzübertritt registriert werden. Sie erhalten dann eine Art Asylbewerberausweis („Ankunftsnachweis“), ohne den es keine Sozialhilfe mehr gibt. Die Daten, darunter auch Fingerabdrücke, werden im Ausländerzentralregister gespeichert. Zugriff haben neben der Polizei und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch die Ausländerbehörden und Asylunterkünfte, die Bundesagentur für Arbeit, im Verdachtsfall auch Geheimdienste und Bundeskriminalamt. Diese Institutionen werden allesamt mit Geräten ausgestattet, die einen Schnellabgleich der Fingerabdrücke ermöglichen, so wie das bei der Polizei bereits der Fall ist.

Den Behörden fehlen Computer und neue Software

Registriert werden neben persönlichen Daten Angaben zum Herkunftsland, zur Ausbildung, Sprachkenntnisse, Passfoto, Informationen zum Gesundheitszustand und vorhandene Impfungen sowie auf freiwilliger Basis auch die Religionszugehörigkeit und Kontaktdaten, um etwa einen Asylbescheid ohne Umweg über die Post zustellen zu können.

Zu dem so genannten „Datenaustauschverbesserungsgesetz“ wurden am Montag im Innenausschuss Experten angehört. Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, verwies auf eine „erhebliche Ausweitung sowohl des Datenumfangs als auch der zugriffsberechtigten Stellen“ sowie auf den „massiven Ausbau eines zentralen Registers“. Die Ansprüche an den Datenschutz würden aber „noch gewahrt“. Kritik übte sie lediglich an Detailvorschriften. Der Deutsche Landkreistag nannte das Gesetz einen „wichtigen Baustein für die administrative Bewältigung der aktuellen Flüchtlingssituation“. Das neue Datennetz werde aber nur dann effektiv zu nutzen sein, wenn die angeschlossenen Behörden mit der nötigen Software und Computern ausgestattet werden. Dies wiederum wird eine ganze Menge Geld kosten.