Vor Wanderratten ekeln sich viele Menschen, manche sprechen gar von einer Plage. Mit Zahlen belegen lässt sich das zwar nicht. Dennoch können die Tiere Infektionskrankheiten übertragen. Deshalb gehen Städte gegen die Nager vor - manchmal auch unter der Erdoberfläche.

Sie sind klein, braun und glänzend - und für Cedrik Harlander ein wichtiges Indiz: „Hier waren definitiv Ratten“, sagt der Bereichsleiter für Großkanalreinigung und Oberflächenentwässerung bei der Stadtentwässerung Stuttgart beim Anblick der Kotklümpchen, die die Nagetiere hier in der Kanalisation hinterlassen haben.

 

Dass sie genau dort liegen, ist nicht gerade Zufall: In direkter Nähe steht eine von 250 Köderboxen, mit denen die baden-württembergische Landeshauptstadt das Rattenaufkommen in der Stuttgarter Unterwelt überwacht - und den Tieren im Zweifel den Garaus macht.

Die Boxen senden laut einem Sprecher Daten über die Besuche sowie die Dokumentation der Köder in einen Webservice. „Sind tatsächlich Ratten an die Lockköder gegangen, werden diese durch Giftköder ersetzt.“ Das Gift beeinflusse die Blutgerinnung so, dass die Ratten einige Tage nach dem Fressen des Köders schmerzlos verenden.

Wie viele Ratten leben in Stuttgart?

Da Ratten von Weil’scher Gelbsucht über Fleckfieber (Typhus) bis Tollwut allerhand Krankheiten übertragen und Parasiten einschleppen können, gelten sie als Schädlinge. Hinzu kommt, dass Wanderratten (Rattus norvegicus) laut dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebenssicherheit nach drei bis vier Monaten geschlechtsreif sind und ein Tier innerhalb eines Jahres über mehrere Generationen nach einer groben Schätzung rund 500 Nachkommen hat.

Wer eine wild lebende Ratte sieht, muss das in der Regel den Behörden melden - in Hamburg zum Beispiel dem Institut für Hygiene und Umwelt. Geregelt ist das in der Hansestadt seit Jahrzehnten über eine Rattenverordnung. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen Städten.

Wie viele Ratten in Städten leben, lässt sich nicht seriös sagen. Selbst der Stuttgarter Sprecher erklärt trotz des Monitorings, daraus ließen sich keine Schätzungen zur Rattenpopulation ableiten. In Köln, München und Hamburg gehen die Verwaltungen von gleichbleibenden Zahlen aus, mitunter mit jährlichen Schwankungen.

Was Ratten anzieht

Größere Probleme bereiten die Tiere den Angaben zufolge nirgendwo. „Aber besonders in Mehrfamilienhäusern mit mangelhafter Bausubstanz können Ratten im Gebäude ein großes Problem werden“, nennt das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt ein Beispiel. Ein Sprecher des Münchner Gesundheitsreferats erklärt, dass Witterungsbedingungen wie die Länge von Kälteperioden, das Ausmaß illegaler Vogelfütterung, die Verunreinigung von Grundstücken und die Zahl von Großbauprojekten entscheidende Faktoren für das Vorkommen von Ratten sein dürften.

Bestimmte, von Menschen viel genutzte Örtlichkeiten seien für Ratten wegen des damit einhergehenden Nahrungsangebots und Nistmöglichkeiten attraktiv: etwa Bahnhöfe samt Vorplätzen und P+R-Anlagen sowie Grünanlagen mit Spiel- und Freizeitflächen. Weggeworfene Lebensmittel oder auch eine unübersichtliche und unzugängliche Untergrund- und Baustellensituation begünstigten, dass sich die Tiere mit den teils über 20 Zentimeter langen Schwänzen in diesen Gegenden einnisteten.

Das rät die Tierschutzstiftung Vier Pfoten

Vor allem zum Schutz vor Infektionen wird gegen Rattenbefall vorgegangen. Auf privatem Grund sind die Eigentümer zuständig, auf öffentlichem Gelände die Kommunen. In Berlin etwa geben einzelne Bezirke Tausende Euro im Jahr für die Bekämpfung aus, manche sogar fünfstellige Beträge. Gängige Maßnahmen sind Fraßköder, wie sie auch die Schädlingsbekämpfer des Kölner Gesundheitsamtes auslegen.

„Ratten dürfen ausschließlich mit amtlich zugelassenen Ködermitteln bekämpft werden“, teilt dazu der Sprecher des Gesundheitsreferats in München mit. Zum Schutz von anderen Tieren und Menschen legten Fachfirmen diese verdeckt in sogenannten Köderschienen oder Köderboxen aus - bis kein „Abfraß“ mehr stattfinde.

Die Tierschutzstiftung Vier Pfoten spricht sich dafür aus, die Nager ohne Gift oder tödliche Fallen zu vertreiben. So sollte man Mülltonnen stets verschlossen halten und keine Essensreste auf den Kompost werfen. Tierfutter wie auch die Tiere selbst - Ziervögel oder Meerschweinchen zum Beispiel - sollten nicht für Ratten zugänglich sein. Der Naturschutzbund Nabu rät, Lebensmittel nicht über die Toilette zu entsorgen. An Kellerfenstern und Abflüssen helfen Gitter.

Geräte sollen Nager vertreiben

Geräte, die Schall, Ultraschall oder elektromagnetische Felder erzeugen und Nagetiere vertreiben sollen, haben sich indes nach Angaben des Umweltbundesamts als wirkungslos erwiesen. Wanderratten ließen sich auch nur sehr schwer mit mechanischen Fallen fangen, heißt es bei der Behörde. „Hunde und Katzen tragen möglicherweise dazu bei, eine Ansiedlung von Mäusen und Ratten in Gebäuden zu verhindern, können einen vorhandenen Befall jedoch nicht beseitigen.“

In Stuttgart ist für die Rattenbekämpfung über der Erde das Garten-, Friedhofs- und Forstamt zuständig. Neben Rattengift setzt es ebenfalls auf eine Methode, den Tieren das Leben etwa in Parks zu vermiesen: Büsche und bodendeckende Pflanzen werden den Angaben nach so zurückgeschnitten, dass die Ratten schlicht kein Versteck finden.