Bildungsministerin Schavan muss um ihren Titel bangen – und dann auch um ihr Regierungsamt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Annette Schavan hat es sich mit ihrer Doktorarbeit nicht leicht gemacht. Das umfängliche Werk befasst sich mit einer schwierigen Materie. Es geht um heikle Fragen. „Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“, so lautet der Titel. Nun ist die Ministerin zur Erforschung des eigenen Gewissens gezwungen.

 

Seit Monaten kursieren Vorwürfe, sie habe bei ihrer Promotion nicht sauber gearbeitet. Nun scheinen sich die Vorwürfe erhärtet zu haben. Ein offizielles Gutachten der Universität Düsseldorf, wo Schavan studiert hat, spricht angeblich gar von einer „leitenden Täuschungsabsicht“. Doch bisher ist das Gutachten nur in Auszügen bekannt, die der „Spiegel“ zitiert. Die Uni hält sich bedeckt. Schavan bestreitet jegliche Täuschungsabsicht.

60 der 351 Seiten beanstandet

Der Gutachter, immerhin Prodekan der Philosophischen Fakultät an der Uni Düsseldorf, beanstandet laut „Spiegel“ 60 der 351 Seiten. Anonyme Kritiker im Internet listen sogar 114 Textstellen auf 94 Seiten auf, wo Schavan angeblich gegen wissenschaftliche Standards verstoßen habe. In der hochschulinternen Expertise wird ihr vor allem vorgeworfen, sie bediene sich der sogenannten Sekundärliteratur, habe aber wichtige Bücher, auf die sie in ihrer Arbeit Bezug nehme, nicht selbst gelesen. Zudem habe sie Erkenntnisse aus anderen Werken lediglich umformuliert, verweise aber nicht durchweg korrekt auf die jeweiligen Urheber. Diese beiden Methoden werden von Schavans Kritikern als „Verschleierung“ und als „Bauernopfer“ umschrieben. Selbst die anonymen Plagiatsjäger, die ihre Vorwürfe auf der Internetseite „schavanplag.wordpress.com“ zusammengetragen haben, werfen der Ministerin aber nur in einem einzigen Fall vor, Phrasen aus einem anderen Buch komplett abgekupfert zu haben.

Insofern unterscheidet sich der Fall Schavan markant von dem des gescheiterten CSU-Freiherrn Karl-Theodor zu Guttenberg, der seine Doktorarbeit schlichtweg zusammenkopiert hatte. Als Schavan ihre Dissertation verfasste, stand ihr noch kein Computer zur Verfügung – und somit auch nicht die Möglichkeit, Textstellen anderer Autoren mit wenigen Mausklicks zu markieren und in ihr eigenes Werk einfließen zu lassen. So primitiv sind die Fehler nicht, die ihr angelastet werden.

Schavan hat selbst hohe moralische Ansprüche erhoben

In diesem Sinne hatten sich Verteidiger Schavans aus der Wissenschaft zu Wort gemeldet. Ihr seien allenfalls „Zitierfehler, aber kein Plagiat“ anzulasten, argumentieren die beiden Berliner Professoren Dietrich Benner und Heinz-Elmar Tenorth. Schavans Methode sei in manchen Fällen „nicht schön, erlaubt aber nicht, diese Arbeitsweise pauschal unter Plagiatsverdacht zu stellen“. Allerdings geht es hier auch nicht um Formfehler eines x-beliebigen Promotionskandidaten, sondern immerhin um die Ministerin, die Sorge zu tragen hat für den guten Ruf des deutschen Bildungswesens. Sie hat zudem selbst dazu beigetragen, dass bei ihr ganz genau hingesehen wird.

Guttenberg war der erste einer unrühmlichen Riege von Politikern, die sich nachweisen lassen mussten, bei der Doktorarbeit geschummelt zu haben. Der smarte Baron ist seinen Titel los. So erging es auch den FDP-Politikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis. Koch-Mehrin hat indes den Rechtsweg beschritten. Den Sturz des früheren Verteidigungsministers hatte seine Kabinetts- und Unionskollegin Schavan erheblich beschleunigt. Während die Kanzlerin noch spitzfindig zwischen dem Akademiker und dem Politiker Guttenberg zu unterscheiden versucht hat, meldete sich ihre Vertraute mit einem vernichtenden Satz: „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleitet hat, schäme ich mich nicht nur heimlich.“ Mit diesem Satz hat sie die Ansprüche an die eigene Arbeit sehr hoch geschraubt.