Annette Schavan und einige Wissenschaftler argumentieren, dass die Plagiate in der Doktorarbeit nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Das sieht der zuständige Fakultätsrat anders: Schavan habe systematisch abgeschrieben, sagt der Dekan Bruno Bleckmann.

Stuttgart - Fett gedruckt steht es am Ende der Erklärung des Dekans: Es sei im öffentlichen Interesse, den wissenschaftlichen Qualifikationserwerb zu schützen. Sprich: Annette Schavan wird der Doktorgrad auch deshalb entzogen, damit das Promotionsverfahren nicht in den Dreck gezogen wird. Wer sich mit seiner Dissertation redlich bemüht hat, soll seinen Doktorgrad auch weiterhin tragen dürfen, ohne sich schämen zu müssen.

 

Das Argument ist nur eines von vielen, zu denen der Dekan Bruno Bleckmann am Dienstagabend Stellung nimmt. Der Rat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf, die er leitet, antwortet auch auf die öffentlichen Forderungen der vergangenen Wochen. Der prominenteste Kritiker war die Allianz der großen Wissenschaftsorganisationen. Sie hatte die Fakultät aufgefordert, Schavans Arbeit „auf der Basis einschlägiger fachwissenschaftlicher Expertise“ zu bewerten. Einzelne Forscher sowie Schavan selber riefen auch nach einem zusätzlichen Gutachter aus der Erziehungswissenschaft. Dem Fakultätsrat lag nur ein Gutachten vor, das Bleckmanns Stellvertreter Stefan Rohrbacher, ein Judaistik-Professor, erstellt hatte. Das haben Schavans Anwälte nach der Entscheidung kritisiert. Sie bezeichnen das Verfahren als „fehlerhaft“ und werden dagegen vorgehen.

Streit um zusätzliche externe Gutachten

Bleckmann entgegnet knapp, dass der Fakultätsrat das Material für ausreichend gehalten habe und auch andere Hochschulen in ähnlichen Fällen ohne externe Gutachter ausgekommen seien. Ausführlicher geht er auf den eigentlichen Grund ein, der hinter der plakativen Forderung nach einer weiteren Expertise steht: Ein Erziehungswissenschaftler könnte bei den Zitierfehlern Schavans womöglich zwischen fachlich bedeutenden und weniger bedeutenden unterscheiden. Hierauf antwortet Bleckmann scharf: Es ergebe sich „das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“. In der Abstimmung zu diesem Punkt habe es zwar zwei Enthaltungen gegeben, aber keine Gegen- und 13 Ja-Stimmen. Medien hatten berichtet, dass Rohrbacher Schavan in seinem Gutachten eine „leitende Täuschungsabsicht“ unterstellt. Der Fakultätsrat bestätigt nun dieses Urteil.

Annette Schavan hat ihre Dissertation Ende der 70er Jahre verfasst. Mehrmals geht Bleckmann in seiner Erklärung darauf ein. Er bemüht sich, den Eindruck zu entkräften, hier werde eine alte Doktorarbeit mit neuen Standards gemessen. In „einschlägigen Leitfäden und Handreichungen“ für Studenten sei schon damals auf die gängigen Regeln des Zitierens hingewiesen worden – ebenso wie auf die Möglichkeit, dass Verstöße betraft werden. Die Tatsache, dass die Promotion mehr als 30 Jahre zurückliegt, habe der Fakultätsrat aber als Argument zugunsten Schavans gewertet, versichert der Dekan.

In einer geheimen Abstimmung haben sich am Ende zwei der 15 Ratsmitglieder gegen eine Aberkennung ausgesprochen, zudem gab es eine Enthaltung. Mehrere Forscher hatten in den vergangenen Monaten öffentlich erklärt, Schavan habe in ihrer Dissertation – trotz aller Plagiate – letztlich eigenständig eine substanzielle These entwickelt. Dazu äußert sich der Fakultätsrat nicht. Bleckmanns Erklärung hebt stattdessen darauf ab, dass genügend wichtige Passagen abgeschrieben sind. Er führt noch an, dass Schavan außer der Promotion keinen Studienabschluss habe. Doch offenbar hätten nach Ansicht des Rats die Plagiate auch in einer Magisterarbeit zur Aberkennung gereicht. Schavans Anwälte nennen die Entscheidung hingegen „unverhältnismäßig“.