"Vollstes Vertrauen": Kanzlerin Merkel stärkt der Ministerin vorerst den Rücken. Alles hängt jetzt vom Urteil der Universität ab.

Berlin/Ulm - Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will kämpfen. Um ihren Doktortitel, ihren Ruf, ihren Job. Leicht wird das nicht. Stefan Rohrbacher, Prodekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf, hat Schavan in einem internen Gutachten Medienberichten zufolge eine „leitende Täuschungsabsicht“ beim Verfassen ihrer Dissertation vorgeworfen. Schavan reagierte empört. Sie lasse sich das nicht bieten, ließ sie wissen. Den Vorwurf der arglistigen Täuschung weise sie „entschieden zurück“.

 

Schavan agiert bis auf Weiteres unter der schützenden Hand von Kanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Chefin sprach ihrer engen Vertrauten ihr „vollstes Vertrauen“ aus. Es ist dies allerdings keine unbefristete Solidaritätsbekundung. Die Universität werde alles Weitere zu beurteilen haben, sagte Merkel. Vor deren Unabhängigkeit habe sie „den notwendigen Respekt“, fügte sie hinzu. Übersetzt heißt das: senken der Promotionsausschuss und später dann der Fakultätsrat den Daumen, erkennen sie also Schavan den Doktortitel ab, dann ist für Schavan politisch die Uhr abgelaufen. Dann wird auch Merkel sie fallen lassen. Schavan weiß um diese letzte Frist, die ihr verblieben ist. Aber selbst wenn sie mit einer deftigen Mängelrüge davon kommen sollte, bewegt sie sich fortan auf einem schmalem Grat. Denn sie selbst hat mit moralisch aufgeladenen Bewertungen anderer Politiker den Maßstab für ihr eigenes Handeln gesetzt. Als Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) der Doktortitel aberkannt wurde, sagte sie der Süddeutschen Zeitung, sie schäme sich „nicht nur heimlich“. Damit hat sie sich in der Union nicht nur Freunde gemacht, weil diese mit Guttenberg einen ihrer größten Hoffnungsträger verlor.

Zur Sache wollte Schavan sich nicht äußern

Schavan bleibt vorerst bei ihrer Linie, sich erst vor dem Promotionsausschuss zu verteidigen. Zur Sache wollte sie sich deshalb auch gestern nicht äußern. Ihr Sprecher sagte nur, dass von den Vorwürfen „nichts übrig“ bleiben werde“. Sollen andere gegen Regeln verstoßen und interne Gutachten Medien zuspielen, sie vertraue weiter auf das in solchen Fällen übliche Verfahren. „Aus Respekt vor der Unabhängigkeit der Wissenschaft“, wie Schavans Sprecher sagte. Bisher sei aber noch gar keine Bitte um Stellungnahme bei Schavan eingegangen. Das bedeutet, dass der Promotionsausschuss bei seiner morgigen Sitzung kaum ein abschließendes Urteil fällen wird. Denn Schavan ist für eine kurzfristig anberaumte Befragung gar nicht mehr zu haben. Sie bereist Israel.

Die Opposition hält sich zurück. Auch deren Frontleuten ist nicht geheuer, dass Plagiatsjäger die Aberkennung der Doktortitel von Politikern inzwischen wie Trophäen handeln. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, es gelte bis zu einem Urteil der Universität die Unschuldsvermutung. SPD und Linke teilen mit, Schavan könne nur weiter machen, wenn sie die Vorwürfe entkräfte. Sie drücken damit das gleiche wie die Kanzlerin aus, nur mit anderen Worten.

Heimatwahlkreis steht hinter ihr

Die führenden CDU-Verbandsspitzen des Ulmer Heimatwahlkreises Schavans sind auch am Montag bei ihrer bisherigen Sprachregelung zur Causa geblieben. „Wir stehen voll hinter Frau Schavan“, sagte Paul Glökler, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Alb-Donau/Ulm. Nach wie vor müsse die „Unschuldsvermutung“ gelten. Auch Bertram Holz, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Ulm, verweist auf das „laufende Verfahren“ und fügt mit Blick auf die bekannt gewordenen Auszüge aus dem Prüfgutachten hinzu: „Ich finde es skandalös, dass diese Vorveröffentlichung passiert ist.“ Schavan sei „eine Persönlichkeit mit Integrität und Glaubwürdigkeit – bisher“. Ob die Ulmer Parteibasis, die am Montagabend zu einem turnusgemäßen Treffen zusammenkam, das durchweg ebenso sieht, ist fraglich. Ende Juli 2011 ließen die CDU-Kreismitglieder die Bundesministerin bei den Delegiertenwahlen für Landes- und Bundesparteitage glatt durchfallen.