Was als erster Auftritt sorgsamst geplant war, gerät nachträglich zum Fiasko. Ganze Passagen der Rede Melania Trumps gleichen einer Ansprache Michelle Obamas aufs Haar. Das Team Trump versucht, die Vorwürfe kleinzureden.

Cleveland - Es ist ein bisschen wie ein verschossener Elfmeter. Oder ein Sieg, nach dem sich hinterher herausstellt: Gewinner leider gedopt. Was von Melania Trumps Auftritt hängen bleiben wird, ist weder die erwartbare Preisung ihres Gatten noch das Herausstellen der eigenen Integration in die USA als beispielgebend. Sondern ein Plagiat. Eine lange, zentrale Passage ihrer Rede ist fast wortgleich mit dem, was eine gewisse Michelle Obama 2008 gesagt hat, in einer Rede auf dem Nominierungsparteitag des späteren Präsidenten Barack Obama.

 

Montagabend, Primetime der US-Sender, alle Augen auf Melania. Es ist ihre erste politische Rede, mit Spannung erwartet, bislang war das inhaltliche Profil der schönen Frau im Trump-Train undeutlich. Als Einleitung ein überraschender, gemeinsamer Auftritt mit Donald, sie soll ihn weicher zeichnen. Ein Publikum, das nur zu bereit ist, ihr die Herzen zufliegen zu lassen. Und dann spricht Melania Trump. Unter anderem von Werten.

Wortgleich mit Michelle Obama

Das hätten ihr die Eltern mitgegeben: „Dass du hart arbeitest für das, was du im Leben willst; dass dein Wort gilt und du tust, was du sagst“. Michelle Obama war vor acht Jahren einfach wortgleich. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Sätze, die sich sehr gleichen, stark ähneln oder mindestens kräftig inspiriert wirken.

„Jemand sollte gefeuert werden!“ schreibt das Portal „Slate“ am Dienstag, und überhaupt gibt es am Tag danach in der US-Berichterstattung über den Konvent kaum ein anderes Thema. Die sozialen Medien bekommen sich gar nicht mehr ein, Videos machen die Runde, Vergleiche und Gegenschnitte.

Melania Trump hatte noch in der Nacht dem Sender NBC gesagt: Ja, sie habe ihre Rede selber geschrieben. Gut - „mit so wenig Hilfe wie möglich“. Trumps Team reagiert rasch selbst, säuselt auf der Homepage: „Beim Schreiben ihrer wunderschönen Rede hat sich Melanias Schreiber-Team Notizen über die Inspirationen ihres Lebens gemacht und in einigen Fällen Fragmente mit einbezogen, die ihr eigenes Denken wiedergaben.“ Das klingt für Trumps sonstige Hier-kommt-die-Kavallerie-Rhetorik Verhältnisse sehr gewunden.

Donald Trump mochte auch danach nichts Arges sehen. Auf Twitter: „Ihre Rede und ihr Auftreten waren unglaublich. Sehr stolz!“ In den Morgensendungen versucht sein Team dann Schadensbegrenzung. „Gemeingut“ seien die kritisierten Worte, die Vorwürfe absurd“.

Monatelange Vorbereitung von Melania Trump

Melania Trump sagt, monatelang habe sie sich auf ihre Rede vorbereitet. Die blieb dann zwar um Längen blasser als etwa Ann Romney vor vier Jahren. Aber es war eine ordentliche, patriotische Rede. Man könnte dennoch denken, dass im digitalen Zeitalter stumpfes Abkupfern für einen wirklich wichtigen Anlass unter maximaler Aufmerksamkeit vielleicht nicht klug sei, zumal von einer so dermaßen prominenten Quelle wie der heutigen First Lady.

Das bietet auch all denen Nahrung, die die beiden Frauen gerne vergleichen möchten. Selbstbewusst und stark, promovierte Juristin die eine - deutliche Positionen und eine klare Haltung. Michelle Obama hat viele Fans, ihren weltläufig-eleganten Mix aus Glamour und politischen Positionen beginnen viele schon jetzt zu vermissen.

Ihre mögliche Nachfolgerin im Weißen Haus dagegen: das stille Model aus Europa, Inhaltliches gibt es in all dem gut gekleideten Lächeln kaum zu finden, dafür Fotos nahe der Nacktheit und eine eigene Schmucklinie. Bislang hat allerdings kaum jemand selbst mit Melania Trump gesprochen, das allgemeine Urteil stützt sich auf wenige, sorgsam kuratierte Interviews. Der Plagiatsvorwurf ist für ihr Image ebenso wenig hilfreich wie er eine professionelle Organisation der Kampagne nahelegt.

Starkes Abschreiben oder starke Inspiration hätten allerdings weder der kuriose Wahlkampf 2016 noch das Team Trump exklusiv. Plagiate haben auch in den USA eine gewisse Sprengkraft. 1987 entlehnte einer der damals hoffnungsvollsten Kandidaten Teile einer Rede einer Vorlage des Briten Neil Kinnock. Das brachte später seine Bewerbung zu Fall. Es war Joe Biden, heute Vizepräsident der USA.