Plan der EU Strafzahlungen für Ladesäulenmuffel?

Im öffentlichen Raum der EU befinden sich 70 Prozent aller Ladesäulen in nur drei Ländern: Niederlande, Frankreich und Deutschland. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die EU will ihre Mitgliedstaaten dazu verpflichten, ein Netz von öffentlichen Ladepunkten für batterieelektrische Fahrzeuge aufzubauen. Der SPD-Verhandlungsführer im Europa-Parlament prescht mit ehrgeizigen Plänen vor.

Zum zweiten Mal unternimmt die EU den Versuch, die Mitgliedstaaten per Gesetzgebung zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum für E-Autos zu bewegen. Der erste Versuch stammt aus dem Jahr 2014 und scheiterte am Widerstand der Mitgliedstaaten. Wenn sich damals die Kommission mit ihrem Vorschlag durchgesetzt hätte, gäbe es heute rund 680 000 öffentliche Ladepunkte.

 

Tatsächlich gibt es nun nicht einmal ein Drittel davon – nämlich 245 000 Punkte EU-weit. Davon sind 70 Prozent auf lediglich drei Mitgliedstaaten verteilt. Mit Abstand am meisten Strom für Autos gibt es in den Niederlanden, gefolgt von Frankreich, das nahezu gleichauf liegt mit Deutschland.

Bisher 55 000 Ladepunkte in Deutschland

Gefördert durch staatliche Zuschüsse, schaffen sich nicht nur in Deutschland immer mehr Autofahrer batterieelektrische Fahrzeuge und Autos mit extern aufladbarem E-Motor (Plug-in-Hybride) an. Entsprechend groß ist der Bedarf. Laut EU-Kommission soll Deutschland bis zum Jahr 2030 eine Million öffentlich zugänglicher Ladestellen haben. Derzeit liegt der Stand nach Einschätzung von Beobachtern etwa bei 55 000.

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In den nächsten Wochen gehen die Verhandlungen zwischen Europaparlament und den Mitgliedstaaten zur Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) in die entscheidende Phase. Wieder einmal dürften die Bremser bei den Mitgliedern sitzen. Vor allem osteuropäische EU-Staaten wehren sich gegen ehrgeizige Vorgaben aus Brüssel.

Dagegen unterstützen etwa Deutschland, Österreich, Frankreich, die Beneluxstaaten und die Länder Skandinaviens weitreichende Regelungen. Es wird jetzt ein Kompromiss gesucht, der sowohl die Mehrheit im Europaparlament als auch im Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, bekommt. Mit einem Ergebnis wird erst in der zweiten Jahreshälfte gerechnet.

1000 Euro Strafe je Säule?

Worauf könnte es am Ende hinauslaufen? Ismail Ertug, SPD-Abgeordneter aus Bayern, ist Verhandlungsführer für den Gesetzestext im Europaparlament. Damit tatsächlich auch die nötige Anzahl an Ladepunkten geschaffen wird, schlägt er einen Sanktionsmechanismus vor: Mitgliedstaaten, die nicht die vorgeschriebene Zahl von Punkten schaffen, müssen dann Strafzahlungen an den EU-Haushalt leisten. 1000 Euro für jede Ladesäule, die nicht installiert wird, würden fällig. So etwas gibt es bislang noch nicht.

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Ertug sagt: „Um die CO2-Reduktionsziele im Verkehr zu erreichen, brauchen wir den Hochlauf von Elektro- und Wasserstofftechnologie. Daher bedarf es eines ambitionierten Anlaufs für den Aufbau der Infrastruktur.“ Die Kommission, so der Vorschlag des Verkehrsexperten, könnte gegen die säumigen Länder ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einleiten und den Richtern in Luxemburg Strafzahlungen vorschlagen.

Zudem will Ertug durchsetzen, dass bei allen neuen Ladesäulen mit Karte bezahlt werden kann. Ab 2025 will er zudem eine Pflicht zur Nachrüstung für alle Ladesäulen im öffentlichen Raum mit Kartenlesegeräten vorschreiben. Damit geht Ertug über die deutsche Ladesäulenverordnung hinaus, die keine Nachrüstpflicht bis 2025 vorsieht, sondern nur Kartenzahlung bei neuen Ladepunkten ab 2023 vorschreibt.

Debatte um Ladeleistung

Heftig gerungen werden dürfte über die Vorgaben im Einzelnen. Die Kommission schlägt vor, dass jeder Mitgliedstaat je zugelassenem batterieelektrischen Auto jeweils ein Kilowatt (kW) Ladeleistung im öffentlichen Raum vorhalten muss. Je Plug-in-Hybrid soll der Wert bei 0,66 kW liegen. Ertug will darüber hinaus gehen. Er schlägt für E-Autos den verbindlichen Wert von einem kW erst dann vor, wenn mehr als 7,5 Prozent des Fahrzeugbestandes eines Mitgliedslandes komplett elektrifiziert sind. Unterhalb der Schwelle fordert er stufenweise höhere Werte. Wenn ein Mitgliedsland weniger als ein Prozent E-Fahrzeuge hat, soll es drei Kilowatt je Fahrzeug vorhalten.

Mindestanforderungen je Land

Auch will er Mindestanforderungen an das öffentliche Ladenetz setzen und geht damit über den Vorschlag der Kommission hinaus: Demnach soll jeder Mitgliedstaat bis 2025 für zwei Prozent des gesamten Fahrzeugbestandes Ladepunkte im öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Ab 2027 soll er dies für fünf Prozent des Fahrzeugbestandes sicherstellen. Deutschland müsste danach bis 2025 noch 170 000 und bis 2027 315 000 Ladepunkte schaffen.

Laut Prognosen der EU-Kommission sollen im Jahr 2030 EU-weit bereits 30 Millionen vollelektrischer Autos unterwegs sein.

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