Kurz vor den EU-Wahlen legt Sozialminister Hubertus Heil sein Finanzierungskonzept für die neue Grundrente vor. Es steht auf wackeligen Füßen, die Union spricht von „Luftbuchungen“. Auch an anderer Stelle knirscht es noch gewaltig.

Berlin - Die Grundrente für Bezieher kleiner Einkommen ist das neue Lieblingsprojekt der SPD. Sie soll zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen und überdies zeigen, dass die Partei immer noch für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kämpft. Am Mittwoch nun – wenige Tage vor den Europawahlen und der Bürgerschaftswahl in Bremen – hat Sozialminister Hubertus Heil sein Finanzierungskonzept vorgestellt. Er spricht von einer „soliden Finanzierung“, der Koalitionspartner hingegen von „Luftbuchungen“. Ein Überblick.

 

Was genau ist die Grundrente? Mit der Grundrente soll die Lebensleistung langjährig versicherter Arbeitnehmer anerkannt werden. Es geht um die Bekämpfung von Altersarmut. Viele Rentner verfügen nur über Mini-Bezüge, obwohl sie ein Arbeitsleben lang in die Rentenkassen eingezahlt haben. Die Einführung der Grundrente ist im schwarz-roten Koalitionsvertrag vorgesehen. Union und SPD streiten aber noch um die Modalitäten. Die Grundrente soll über dem Sozialhilfe-Niveau liegen.

Wer soll die Grundrente bekommen und was kostet sie? Wer 35 Jahre lang gearbeitet und Beiträge abgeführt hat, soll einen Anspruch auf die neue Grundrente erhalten. Auch Zeiten der Kindererziehung oder Pflege will Heil anerkennen. Die SPD plant die Einführung zum 1. Januar 2021. Sie rechnet zunächst mit Kosten von 3,8 Milliarden Euro, die dann bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts auf 4,8 Milliarden Euro pro Jahr steigen sollen.

Was genau heißt das für die einzelnen Arbeitnehmer? Beispielhaft für die Bezieher der Grundrente führt Heil eine Friseurin auf, die 40 Jahre lang voll gearbeitet hat und dabei nur 40 Prozent des Durchschnittsgehaltes verdiente. Derzeit käme sie auf eine gesetzliche Rente von 512 Euro pro Monat, die Grundrente läge bei 961 Euro. Die Grundrente soll drei Millionen Menschen zugutekommen, 80 Prozent davon sind Frauen. Die genaue Höhe soll abhängig sein von den so genannten Rentenpunkten, die man während seines Berufslebens gesammelt hat. Diese würden um einen Zuschlag erhöht.

Woher will die SPD das Geld nehmen? Aus dem Staatshaushalt und aus den anderen Zweigen der Sozialversicherung. Heil hat sich in dieser Frage eng mit Finanzminister Olaf Scholz (ebenfalls SPD) abgestimmt. Sie schlagen unter anderem vor, die so genannte Mövenpick-Steuer wieder abzuschaffen und auf Mittel aus der bisher nicht existierenden Finanztransaktionssteuer zurückzugreifen. Bei der „Mövenpick-Steuer“ handelt es sich um ein Wahlgeschenk der ehemaligen schwarz-gelben Koalition an deren Klientel. Seit 2010 unterliegen Hotel-Übernachtungen nur noch dem ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz von sieben Prozent. Eine Rücknahme würde dem Bund 700 Millionen Euro einbringen, schätzt die SPD. Aus der Finanztransaktionssteuer will sie weitere 500 Millionen gewinnen. Bisher ist allerdings überhaupt nicht klar, ob diese Steuer auf Finanzgeschäfte tatsächlich kommt. In der EU wird seit Jahren darüber geredet, Beschlüsse stehen noch aus. Weitere Mittel für die Grundrente sollen aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung kommen sowie aus dem Haushalt von Heils Sozialministerium.

Wie findet der Koalitionspartner das alles? CDU und CSU lassen bislang kein gutes Haar an den Plänen. „Die Finanzierung der Grundrente besteht allein aus Luftbuchungen. Kein Cent davon ist real vorhanden“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg. Er ergänzt: „Mit allen Tricks sollen über 4 Milliarden Euro zusammengekratzt werden: Steuererhöhungen, diffuse Einsparungen und Anzapfen der Sozialversicherungskassen. So kann man keine nachhaltige Rentenpolitik machen“. Eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Hotel-Übernachtungen wäre für den Tourismus „ein Schlag ins Gesicht“. Auch aus der Opposition kam Kritik: Die SPD plane einen „dreisten Griff in die Sozialkassen“, sagte der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel. Sozialminister Heil hingegen ist der Ansicht, dass das Vorhaben solide finanziert sei.

Geht der Streit innerhalb der Koalition nur ums Geld? Nein. Es geht auch um die Frage, ob die Behörden künftig die Vermögensverhältnisse überprüfen sollen, wenn Arbeitnehmer eine Grundrente in Anspruch nehmen möchten. Die Union besteht auf der so genannten Bedürftigkeitsprüfung und verweist, dass dies auch im Koalitionsvertrag so vereinbart ist. Die SPD lehnt eine derartige Prüfung strikt ab.

Warum präsentiert Minister Heil seine Pläne gerade jetzt? Er sagt, dass er schon vor Monaten angekündigt habe, die Pläne im Mai vorzustellen. Mit den anstehenden Wahlen zum EU-Parlament und der Bremer Bürgerschaft habe das nichts zu tun. Das klingt nur bedingt glaubwürdig. In den Wahl-Umfragen sieht es schlecht aus für die SPD. Sie dürfte auf ein wenig Rückenwind auf den letzten Metern hoffen.