Bis zum Jahresende verkehren auf der 145 Kilometer langen Strecke zwischen München und Nürnberg digital vernetzte Lastwagen im Konvoi. So soll Sprit gespart werden

München - Auf der Autobahn 9 zwischen München und Nürnberg ist der weltweit erste Praxiseinsatz vernetzter Lkw-Kolonnen gestartet. Autonom fahrende MAN-Lastwagen der DB-Tochter Schenker sind ab sofort dreimal täglich mit Ladung im Alltagseinsatz auf der 145 Kilometer langen Strecke unterwegs. Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Spitzenmanager des Lkw-Bauers MAN sowie der Deutschen Bahn hat damit die Zukunft der Speditionsbranche begonnen.

 

Der Blick ins Cockpit könnte passierende Autofahrer verstören, weil die Fahrer eine weiße, mit 32 Elektroden zur Messung von Gehirnströmen bestückte Haube tragen. Zudem fahren die Lastwagen im Abstand von nur 15 Metern, was eigentlich nicht erlaubt ist. Deutsche Gesetze sehen 50 Meter Mindestabstand zwischen zwei Lkw vor.

Die digitale Variante des Konvoifahrens

Platooning, wie es in der Fachsprache heißt, ist die digitale Variante des Konvoifahrens. Die Lkw werden dabei per WLAN und Computer vernetzt. Das Führungsfahrzeug gibt vor, wie schnell und in welche Richtung dahinter elektronisch angekoppelte Lastwagen fahren. Bremst der Führungs-Lkw, tut das automatisch so gut wie zeitgleich auch jeder Folge-Lkw. In der jetzigen Stufe der Technik müssen Fahrer dabei noch stets die Hände am Steuer haben. Für elektronisch angekoppelte Fahrer könnte sich das aber bald erübrigen.

DB Schenker erhofft sich durch das digitale Windschattenfahren bis zu zehn Prozent weniger Spritverbrauch für den Folge-Lkw. Weil ein Konvoi aus zwei Lkw statt heute 90 Meter Länge bei digitaler Koppelung auf 40 Meter schrumpft, werde auch mehr Platz auf Autobahnen geschaffen, verspricht Doll. Dazu fahre die Technik sicherer als jeder Mensch, und der Verkehrsfluss werde harmonisiert, was weniger Staus bedeute. Inwiefern diese Voraussagen auch im realen Fahrbetrieb eintreffen, wird nun im bis Ende des Jahres laufenden Projekt geklärt.

Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Wissenschaftlich begleitet wird auch die Auswirkung auf den Fahrer, weshalb Hirnströme und Augenbewegungen überwacht werden. Dafür ist die private Hochschule Fresenius zuständig. Sie soll klären, ob Lkw-Fahrer entspannter am Steuer sitzen, wenn ihnen die Technik Arbeit abnimmt.

Etwas mulmig sei ihm schon, das Bremsen einer Software zu überlassen, räumt ein Fahrer von DB Schenker ein. Andererseits interessiere ihn die Technik. Vorerst bekomme er auch weiterhin volles Gehalt. Ob das so bleibt, ist nicht ausgemacht und eine der offenen Fragen des Platooning-Technik. Spediteure hoffen, durch sie die gesetzlichen Lenkzeiten verlängern und somit mehr als nur Spritkosten sparen zu können.

Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen

In Serie bauen könne MAN damit bestückte Lkw etwa ab 2020, erklärte der Vorstand von MAN Truck & Bus, Joachim Drees. Voraussetzung sei, dass die Politik bis dahin möglichst EU-weit die Gesetze entsprechend anpasst. Dazu gehört auch der Mindestabstand von Lkw auf Autobahnen. Die Politik werde nicht der Bremser sein, verspricht Scheuer. Er hofft auch darauf, dass der Mangelberuf Lkw-Fahrer per Digitaltechnik wieder attraktiver wird. „Mehr Bock auf den Bock machen“, nennt er das. Zudem sieht er die Chance, dass Platooning-Technik made in Germany zu einem neuen Exportschlager wird. Im Rahmen des Praxistests auf der A 9 sind drei Fahrten täglich und insgesamt 30 000 Kilometer im Alltagsbetrieb geplant. Zumindest auf einem Speditionsgelände von DB Schenker sollen bald auch Platooning-Lkw mit einer weiterführenden Autonomiestufe unterwegs sein, wo Fahrer von Folge-Lkw nicht mehr die Hand am Steuer haben müssen. In diesen Zeiten können sie dann Schreibkram erledigen.