Der Lehrer Michael Baranjosch lebt seit 2010 in China. Er hat inzwischen Familie, fühlt sich aber trotzdem oft fremd.

Plieningen Vor drei Jahren begann sein großes Abenteuer. Der angestellte Lehrer für Sport, Technik und Wirtschaft, Michael Baranjosch, gab seine Stelle in Deutschland auf und zog in die chinesische Provinz Guangdong in Südchina. In der Nähe der Hafenstadt Shantou unterrichtet der Lehrer Englisch an einer privaten Grundschule. Geboren wurde Baranjosch in Plieningen, wo er sich lange beim KV Plieningen engagierte. In Guangdong hat er eine Chinesin geheiratet. Das Paar hat einen dreijährigen Sohn.
Sie sind Lehrer. Wie kamen Sie dazu, sich auf eine Stelle in China zu bewerben?
Ich wollte schon immer im Ausland arbeiten. Es hat sich aber dann erst ergeben, als ich 40 geworden bin. Für China habe ich mich entschieden, weil es ein sicheres Land ist und Lehrer dort sehr gute Einstellungschancen haben. Die asiatische Kultur hat mich außerdem schon immer interessiert, genauso wie die reizvolle Landschaft in Südchina.

Wie haben Sie sich auf das Leben und Unterrichten im fremden Land vorbereitet? Gerade Chinesisch gilt ja als besonders schwierige Sprache.
Ich habe mich im Vorfeld mit China beschäftigt und die Sprache in Deutschland zumindest soweit gelernt, dass ich mich im Alltag verständigen kann. Inzwischen ist mein Chinesisch alltagstauglich. Allerdings hapert es noch mit der Aussprache. Ich finde übrigens nicht, dass Chinesisch so schwer zu erlernen ist. Schon nach einem Jahr konnte ich etwas verstehen und einfache Sätze sprechen.

Im Westen gibt es ein bestimmtes Bild von der chinesischen Erziehung: Disziplin und Drill statt Persönlichkeitsentfaltung. Ist das aus Ihrer Sicht ein Vorurteil? Wie erleben Sie Ihre chinesischen Schüler und die Arbeit mit Ihnen?
In China gibt es einen höheren gesellschaftlichen Leistungsdruck. Das spürt man in den Schulen. Der Wert von Freizeit ist sehr gering. Kinder gehen kaum in Sportvereine. Sogar Spielplätze sind eher rar. Die Schüler müssen auch in den Ferien büffeln. Sie verhalten sich aber gegenüber den Lehrkräften respektvoller als in Deutschland üblich. Die Unterrichtsmethoden in China sind dagegen veraltet. Es gibt meist nur Frontalunterricht, die Schüler lernen alles auswendig. Persönlichkeitsentfaltung ist nicht gefragt. Der ausländische Lehrer kann jedoch seine westlichen Methoden anwenden, und das wird auch gewünscht – solange er keine politischen Themen behandelt. Persönliche Kontakte zu den Schülern außerhalb des Unterrichts zu knüpfen, ist praktisch unmöglich. Es fällt außerdem auf, dass das Sozialverhalten der chinesischen Kinder eher schwach ist. Für sie ist es zum Beispiel unangenehm, wenn Lehrer sie an die Hand nehmen.

China war bis vor zwanzig Jahren noch ein abgeschottetes Land. Wie lebt es sich mittlerweile als Ausländer im Reich der Mitte?
Es lebt sich in China im Großen und Ganzen wie in Deutschland. Aber es gibt kulturelle Unterschiede, die es manchmal schwierig machen. Auch echte Freundschaften findet ein Ausländer nicht leicht. Die Chinesen sind eher ein verschlossenes Volk, das sich Fremden nur behutsam öffnet.

Das Internet und die Medien werden in der Volksrepublik zensiert. Wie gehen Sie damit um? Gibt es überhaupt Raum für offene Gespräche mit Chinesen über heikle politische Themen?
Viele Ausländer fühlen sich in China stark eingeschränkt wegen der Internetzensur. Die Chinesen sehen das dagegen gelassen. Ich habe mich inzwischen an die Zensur im Netz gewöhnt. Die langsame Internet-Geschwindigkeit finde ich aber immer noch lästig. Was mich wirklich interessiert im Internet sind Nachrichten aus Deutschland. Die finde ich aber ohne Probleme. Ein Ausländer kann heutzutage eigentlich alles mit den Chinesen diskutieren. Zurzeit machen sich Chinesen zum Beispiel über die Spannungen mit Japan Gedanken. Die Gespräche mit Freunden sind dabei durchaus offen. Allerdings interessieren sich die meisten Chinesen nicht für Politik.