Die Stadt Plochingen hat eine eigene alte Apfelsorte wieder entdeckt. Und pflanzt sie nun überall auf der Gemarkung.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Plochingen - Fein säuerlich-süß, von gelblicher Farbe“ – es gibt nicht allzu viele Plochinger, auf die jene Beschreibung zutrifft: Und doch wird so in einem alten Sortenbuch ein Apfel beschrieben, der als Plochinger Hornung eingetragen ist und den der Bauhofleiter Christian Sachs mit Unterstützung der Stadt und des Stadtmarketings wiederbelebt hat.

 

Christian Sachs ist kein alter Plochinger, sonst hätte er vielleicht vorher schon gehört, dass die Stadt am Neckarknie vermutlich noch zu Zeiten, als sie ein Dorf war, den schwäbischen Speisezettel mit einer eigenen Sorte bereicherte. Die alten Plochinger kennen eine Sorte, die wohl im Heimatbuch von Otto Wurster unter dem Namen Plochinger Eifen überliefert ist. Tatsächlich soll es solche Bäume noch in den Gärten der Lokalpatrioten geben, auch im benachbarten Altbach wollen Bürger bis noch vor wenigen Jahren einen der letzten Eifen in freier Wildbahn gesehen haben. Und möglicherweise sind die Eifen und der Hornung identisch.

Der Namenszusatz Plochinger war wichtig

Ob nun Hornung oder Eifen, für Christian Sachs war der Namenszusatz „Plochinger“ wichtiger. Denn damit keimte in ihm die Idee, diese alte Sorte wiederzubeleben. Durch Zufall entdeckte er das wohlschmeckende Kernobst in Dettingen an der Erms im Landkreis Reutlingen wieder, und zwar auf einer Wiese am Rande des Biosphärengebietes. Der Bauhofleiter fackelte nicht lange und beschloss, den Apfel, der etwas weit vom heimatlichen Stamm gerollt war, zurückzuholen. Mit Billigung des Eigentümers schnitt er Reiser von den Bäumen und begab sich damit zu einer Baumschule.

Bei einem Apfelbaum stammen die Wurzel, der Stamm und die Krone meist von drei verschiedenen Pflanzen. Man nimmt eine Wurzel mit guter Wuchskraft, kombiniert einen Stamm in der gewünschten Höhe und fügt dann das Edelreis hinzu. Da die meisten Äpfel sich nicht selbst aussähen können, ist dies auch die einzig mögliche Form der Vermehrung. Da sie genetisch unverändert bleiben, müsste man streng genommen das etwas unschöne Wort Klonung verwenden, Veredelung klingt da deutlich besser.

Eine Hälfte der Bäume pflanzte die Stadt auf eigene Grundstücke

Über das Jahr wuchsen auf der Baumschule etwa 50 Plochinger Eigengewächse heran. Die Hälfte davon verkaufte die Stadt an Gütles- und Gärtlesbesitzer, die sich an der Rekonstruktion der Apfelsorte beteiligten wollten. „Die Bäume waren ruck, zuck weg“, erinnert sich Sachs, „wir mussten nur einmal eine Anzeige im Amtsblatt schalten.“ Die andere Hälfte pflanzte die Stadt selbst, im Bruckenwasen und an der Westseite hin auf den Streuobstwiesen des Hermannsbergs.

Bis die ersten Bäume Frucht tragen, wird es allerdings noch ein paar Jahre dauern, vor allem weil sie allesamt auf Hochstämmen veredelt sind. Bei locker 1,80 Meter Stammhöhe werden sich mächtige Baumkronen bilden, unter deren wundermildem Schatten man dann rasten kann.

Die Kulturamtsleiterin und Tourismus-Chefin Susanne Martin hat die Rückkehr des Plochinger Apfels in den Schoß der Stadt mit einer Streuobst-Strategie verbunden. Auf einem neuen Wanderweg, der sogenannten Plochinger Panorama-Route, der auch zu den Pflanzorten führt, gibt es mittlerweile drei hölzerne Relax-Liegen, auf denen die Wanderer auf ihrer Tour zu „seltenen Tier- und Pflanzenarten“ verweilen können. Möglicherweise sind diese Ruheliegen und die neuen Apfelbäume auch einer anderen, ebenfalls vom Aussterben bedrohten Tierart nützlich: dem schwäbischen Stücklesbesitzer nämlich, der sich auf diesen Liegen nach schweißtreibender Mäh- oder Schneidarbeit am Steilhang ausruht und mit Kuchen oder Most aus Plochinger Äpfeln stärkt.