Baden-Württemberg hat gute Chancen, muss diese aber auch ergreifen. Doch daran hapert es häufig. Dies jedenfalls war der Tenor bei der Podiumsdiskussion von Stuttgarter Zeitung und Roland Berger Strategy Consultants in der Alten Reithalle.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Baden-Württemberg hat gute Chancen, muss diese aber auch ergreifen. Doch daran hapert es häufig. Dies jedenfalls war der Tenor bei der Podiumsdiskussion von Stuttgarter Zeitung und Roland Berger Strategy Consultants in der Alten Reithalle. Im voll besetzten Saal brachte es Eberhard Veit, der Vorstandsvorsitzende der Esslinger Festo AG, so auf den Punkt: „Es gibt bei uns zu viele, die nur Zuschauer sind und schimpfen“, sagte Veit.

 

Joachim Dorfs, der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, hatte zuvor die Runde der Podiumsteilnehmer gefragt, ob wir im Südwesten eigentlich hauptsächlich den vorhandenen Wohlstand verwalten, anstatt zu neuen Ufern aufzubrechen. Veits Hinweis auf die Position des Zuschauers mag nicht sonderlich überraschen, hört man diesen doch immer wieder im Gespräch mit Unternehmern. Bemerkenswerter war dagegen eine andere Äußerung: „Wir dürfen nicht nur auf den Staat schauen“, sagte der Chef des Automatisierungsspezialisten. Auch Unternehmen seien verpflichtet, einen Beitrag zur Innovation zu leisten. Festo etwa mache dies, indem es jungen Menschen Materialien zur Verfügung stelle, um ihre Ideen auszuprobieren. Zudem gebe es Kooperationen mit Schulen im Technikunterricht.

Dass der Staat aber dennoch wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen müsse, ist eine alte Forderung der Industrie. Und auch wenn auf dem Podium die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschung überwiegend gelobt wurde, wollte Porsche-Chef Matthias Müller auf Mängel hinweisen: „In Deutschland gibt es nur einen Lehrstuhl zum Thema Batterien“, kritisierte er. So ist es für Müller auch wenig verwunderlich, dass neue Batterien mit hoher Reichweite eher in Asien als hierzulande entwickelt werden.

Eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen ist für die Podiumsteilnehmer nicht nur wegen des von dort erwarteten Technologietransfers wichtig. Die Kooperation helfe auch dabei, Talente schon frühzeitig an sein Unternehmen zu binden, meinte Müller. Gerade gute Mitarbeiter sind „das A und O im weltweiten Wettbewerb“, wie Armin Pohl, Geschäftsführer der Stuttgarter Mackevision Mediendesign GmbH diagnostizierte. Leider aber trauten sich viele nicht, sich schon in jungen Jahren selbstständig zu machen, weil sie bei ihrer Ausbildung eben nicht „das richtige Handwerkszeug“ dafür mitbekommen hätten.

Eine gute Infrastruktur mit einem Netz von Hochschulen aber kann nach Meinung von Festo-Chef Veit nicht allein der Nährboden sein, auf dem die Weltmarktführer von heute und morgen gedeihen. „Ohne die Innovationskraft unserer Zulieferer haben wir keine Chance, an der Spitze zu bleiben.“ Viele Weltmarktführer aus dem Südwesten sind Champions, die fast keiner kennt – für viele Lieferanten, die herstellen, was in andere Produkte eingebaut wird, gilt dies erst recht. Niemand liest ihren Namen an einem Auto oder an der Verkleidung einer Maschine – unverzichtbar ist ihre Leistung in einer arbeitsteiligen Wirtschaft aber gleichwohl. Gerade diese kleinen Zulieferer sind oftmals Familienbetriebe – das Rückgrat der Wirtschaft, wie mehrfach betont wurde.

In diesen, so Thomas Rinn, Partner und Stuttgarter Bürochef von Roland Berger Strategy Consultants, würden noch traditionelle Tugenden hochgehalten, teilweise sogar noch die „Werteorientierung der Gründerfamilien“. Diese gelte es zu bewahren, ohne sich auf ihnen auszuruhen: „Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Autos aber beispielsweise mit möglichst viel Elektronik vollzustopfen, sei nicht unbedingt schon Fortschritt. Müller – immerhin arbeitet Porsche auch mit Google zusammen – wies darauf hin, dass auch hier abgewogen werden müsse, was sinnvoll sei.

Und für den Festo-Chef Veit bedeutet der Einzug des Internet in die Fabriken unter dem Stichwort Industrie 4.0 keineswegs, dass die Software die Hardware aus dem Feld schlägt – Letztere möge sich zwar verändern, bleibe aber unverzichtbar. Gerade Industrie 4.0 brauche, was in Wirtschaft und Gesellschaft noch besser werden müsse – die Bereitschaft, sich auf das Risiko des Wandels einzulassen. „Wir sollten keine Jammerlappen sein, sondern mit Ehrgeiz und Spaß an unsere Arbeit gehen“, fordert Veit.