Bekannte Positionen und eine Überraschung: Bei einer Podiumsdiskussion am Beruflichen Schulzentrum in Bietigheim mit den Bundestagskandidaten werden die überzeugendsten Politiker gekürt.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Brechend voll ist die Aula des Beruflichen Schulzentrums in Bietigheim-Bissingen an diesem Mittwoch. Unterricht mal ganz anders: auf dem Programm steht eine Diskussionsrunde mit den Kandidaten zur Bundestagswahl im Wahlkreis Neckar-Zaber. Es heißt, eingeladen worden seien alle Parteien, die derzeit im Bundestag vertreten sind – einer indes glänzt durch Abwesenheit: Dieter Glatting von der AfD. Mehr zu diesem Aspekt gibt es am Ende der gut eineinhalb stündigen Veranstaltung zu erfahren.

 

In der zweiten Reihe des Zuhörerbereich sitzen drei junge Männer, der eine erklärt unmittelbar vor dem Start der Talk-Runde im Zwiegespräch, dass er mit der CDU sympathisiere. Der zweite sagt, er werde wohl die Linken wählen, der dritte die Grünen. Was werden diese Schüler nach der Veranstaltung wohl sagen? Werden sie sich bestärkt fühlen oder kommen sie ins Grübeln? Abwarten.

Weitgehend altbekannte Positionen

Zunächst präsentieren die vier Männer und die eine Frau, die beim Urnengang am 23. Februar in den Bundestag einziehen wollen, im Gespräch mit der Moderatorin Amber Sayah – ehemalige Redakteurin der Stuttgarter Zeitung - weitgehend altbekannte Positionen. Fabian Gramling (CDU), Mario Sickinger (SPD), Lars Schweizer (Grüne), Andrey Belkin (FDP) und Julia Schlembach (Linke) sorgen bei keinem der drei vorgegebenen Themen für größere Überraschungen: Migration, Wirtschaft, Klima.

Im Zeichen der Demokratie: Blick aufs Podium Foto: Simon Granville

Beim vermeintlichen Top-Thema Migration fordert der CDU-Mann eine härtere Gangart, sein Kollege von der FDP will, dass Asylbewerber „schnellstmöglich“ arbeiten dürfen. Die Frau von den Linken fordert bessere Integration und mehr Geld für mehr Personal. Der SPD-Mann spricht mit Blick auf die Attentate der vergangenen Monate von Behördenversagen und erklärt, die Verschärfungen – etwa Zurückweisen an den Grenzen – hätten die Anschläge der vergangenen Monate nicht verhindert, denn die Täter hätten gar nicht mehr auf freiem Fuß in Deutschland sein dürfen. Der Mann von den Grünen erklärt: ja, die Ampel-Koalition habe Fehler gemacht, sie habe aber auch gehandelt, seit Oktober seien rund 40 000 Menschen an der Landesgrenze zurückgewiesen worden.

Ende der ersten Runde und Abstimmung. Frage der Moderation: Sollten Asylbewerber ohne Pass an den Grenzen zurückgewiesen werden? Die Schülerinnen und Schüler wählen entweder eine grüne Karte für „Ja“ oder eine rote für „Nein“. Ein Blick in die Runde, dann erklärt Amber Sayah: „Etwa 50:50.“ Unentschieden.

Wenig später bei den Themen Wirtschaft und Klima ist das Ergebnis hingegen eindeutig: Muss die neue Regierung staatliche Förderprogramme auflegen? Fast alle im Saal sagen „Ja.“ Muss die künftige Regierung mehr tun für den Klimaschutz? Wieder ein eindeutiges „Ja.“

Viele Themen brennen unter den Nägeln

Bei einer Fragerunde wird klar: es gibt weit mehr Themen, die unter den Nägel brennen, als die zunächst angeschnitten drei. Zum Beispiel die Freigabe von Cannabis. Die CDU will die Legalisierung bekanntlich rückabwickeln. Der Christdemokrat auf dem Podium windet sich bei diesem Thema ein klein bisschen, gibt aber zu verstehen, dass er eher gegen die Legalisierung ist, denn Cannabis gefährde die Gesundheit. Sein FDP-Mitbewerber erklärt: diese Position sei scheinheilig, Alkohol sei doch auch nicht gesund, aber allerorten würden regelmäßig Bierfässer angeschlagen.

27 Prozent für die AfD: Die meisten Stimmen bekam der Mann, der gar nicht da war. Foto: Martin/ Tschepe

Die drei Schüler, die zu Beginn preisgegeben haben, welche Partien sie favorisieren, sind im Laufe der Diskussionsrunde ins Grübeln gekommen. Der junge Mann, der zu Beginn erklärt hat, er werde wohl CDU wählen, sagt nun, er tendiere zur FDP. Der Linken-Sympathisant sagt, auch ihm habe der FDP-Mann gefallen, er werde aber vermutlich trotzdem bei den Linken bleiben. Und der Schüler, der gesagt hat, er werde wohl die Grünen wählen, erklärt, er schwanke jetzt zwischen SPD und Linken.

Kurz vor dem Ende der kurzweiligen Veranstaltung in der Aula gilt es dann: per Smartphone sollen alle Schülerinnen und Schüler abstimmen, Frage: „Wer hat mich am meisten überzeugt?“ Das Ergebnis sorgt für Überraschung und auch für Gelächter: Ganz vorne landet nämlich der Mann, der gar nicht da ist: Dieter Glatting, AfD (27 Prozent). Es folgen SPD (25), CDU und FDP (je 19) Linke (fünf) und Grüne (drei). Der Schulleiter sagt dazu nur diese wenigen Worte: „Wer in der Schule gar nicht erscheint, bekommt einen Blauen Brief“ – spricht: Versetzung gefährdet. Aber Bundestagswahlen und Wahlkämpfe sind ja keine Unterricht.