Die Podiumsdiskussion des Sielminger Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums hatte im Vorfeld für Wirbel gesorgt. Grund: angekündigter Protest gegen den Auftritt eines AfD-Mannes. Wie hat das Aufeinandertreffen geklappt?

Polizeiautos, die rund ums Gebäude parken, Polizisten und Mitarbeitende des Filderstädter Ordnungsamts, die sich unters Volk mischen, Sicherheitsleute, die Taschen filzen: Es ist ein denkwürdiger Abend am Sielminger Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG). Der Grund für den Auflauf ist die angekündigte Demonstration der Initiative Antifaschistische Filder. Deren Sympathisanten haben sich am Dienstagabend vor der Schule platziert, mit Regenbogen- und Spruchbannern sowie lauter Musik.

 

Angemeldet sind 50 Personen, nicht viel mehr werden es denn auch. „Hauptsache, man nimmt uns wahr“, sagt der Organisator der Demo, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er betont: Der Aufzug sei nicht gegen die Schülermitverantwortung (SMV) gerichtet, die drinnen eine Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl ausrichtet, sondern gegen das System, das vorschreibe, dass im Sinne der politischen Neutralität alle relevanten Parteien zu schulischen Veranstaltungen einzuladen seien.

Wie der bärtige Demonstrant haben sich im Vorfeld des Podiums-Talks viele Leute daran gestoßen, dass auch ein AfD-Mann in der Schule sprechen wird, die nach einem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus benannt ist, und auch der Schulleiter Peter Bizer bekennt am Abend öffentlich, dass er mit dem Gedanken gespielt haben, eine derartige Veranstaltung im aktuell aufgeheizten politischen Klima abzusagen. „Ich bin aber überzeugt, dass es extrem wichtig ist, dass wir die Veranstaltung machen“, sagt er unter dem Applaus des Publikums. Es sei eine „gute demokratische Tradition“ des DBG, vor Wahlen Podiumsdiskussionen auszurichten.

Schuldenbremse, wirtschaftliche Lage, EU und Klimaschutz

Und so sitzen sie an diesem Abend auf der Bühne, angeordnet von links nach rechts: der Anwalt und frühere Bundestagsabgeordnete Richard Pitterle (BSW), die Studentin Clara Meier (Linke), der Ex-Landesfinanzminister Nils Schmid (SPD), der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne), der Landtagsabgeordnete Dennis Birnstock (FDP), der Steuerberater und Nürtinger Gemeinderat Matthias Hiller (CDU) sowie der Regionalrat und AfD-Kreissprecher Christof Deutscher. Wie deren Schlagabtausch zur Wirtschafts- und Klimapolitik verläuft, wollen derart viele Leute sehen, dass ein Einlassstopp verhängt werden muss. Die knapp 300 Sitzplätze in der Aula sind voll belegt. Zwei Zwölftklässler, Federico Svezia und Jannik Kegler, moderieren. Es geht um die Schuldenbremse, um die wirtschaftliche Lage, um EU oder nicht, um Energiepreise oder den Schutz des Klimas.

Von links nach rechts sitzen Vertreter von BSW, Linke, SPD, zwei Schüler, Grüne, FDP, CDU und AfD. /Caroline Holowiecki

Es bleibt auffallend ruhig, sowohl im Publikum als auch auf dem Podium. Die Gäste gehen höflich miteinander um, lassen sich gegenseitig aussprechen und verfallen nur am Rand in parteipolitische Schuldzuweisungen. Lediglich Christof Deutscher fällt mit einigen Provokationen auf, – zum Beispiel, als er sich noch vor dem Start des Talks darüber beklagt, dass ihm eine Wasserkaraffe mit einem rosafarbenen Deckel, einer „Pussyfarbe“, serviert wurde.

Immer wieder spricht er in Bezug auf den vom Menschen verursachten Klimawandel von „Angstmacherei“, „Klimahysterie“ und „Ideologie“, auch sorgt er für den Lacher des Abends, als er behauptet, es gebe „keine Korrelation zwischen der Erderwärmung und dem Ausstoß von Treibhausgasen“. „Das ist die pure Verachtung von Wissenschaft“, schleudert ihm daraufhin Matthias Gastel unter viel Applaus entgegen. Die Haltungen und Aussagen der Gäste bleiben ansonsten wenig überraschend und nah an den bundespolitischen Wahlprogrammen. Einige Beispiele: Richard Pitterle kritisiert Sanktionen gegen russisches Gas („Ich befürchte, dass wir die eigene Wirtschaft ruiniert haben“) und wirbt für einen wertfreien Bezug als Brückentechnologie.

Wie er fordert auch Clara Meier eine Erhöhung des Mindestlohns, zudem will sie eine Gaspreisbremse, mehr soziales Miteinander und weniger Profitorientierung. Nils Schmid wirbt unter anderem für einen konsequenten Ausbau der E-Mobilität („Wir dürfen keine Zeit verlieren“), eine Reform der Netzentgelte, einen Investitionsbonus und das Anwerben von mehr Fachkräften.

Linke fordert Gaspreisbremse und mehr soziales Miteinander

Während Matthias Gastel typisch grüne Akzente in Sachen Klimapolitik setzt und sich für ein Aussetzen der Schuldenbremse zugunsten von Zukunftsinvestitionen ausspricht („Unterlassene Investitionen sind auch Schulden“), bezeichnet Matthias Hiller diese als „ganz wesentliches Instrument der Generationengerechtigkeit“. Er wirbt für „mehr Europa, nicht weniger“ und eine „Agenda der Fleißigen“.

Dennis Birnstock hat sich Technologieoffenheit – auch im Sinne der Kernkraft –, Stärkung kleiner und mittelständischer Unternehmen oder Bürokratieabbau auf die Fahne geschrieben. Christof Deutscher pocht darauf, den „Moloch“ EU zu begrenzen und rasch wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu verbessern, vor allem für die Automobilindustrie, die man „durch den Klimawahn an die Wand gefahren“ habe.

Weitere Podiumsdiskussionen

„provoKant“
Wohl aufgrund der Kürze der Zeit finden im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl weniger Podiumsdiskussionen als sonst statt. Unter dem Titel „provoKant“ werden sich Parteien beispielsweise am 6. Februar ab 18.30 Uhr in der Aula des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Leinfelden präsentieren. Hierzu wurden Kandidierende aller relevanten Parteien angefragt.

Haus der katholischen Kirche
Zwei Tage zuvor, am 4. Februar, wird es ab 18.30 Uhr im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart mit den dortigen Kandidaten vor allem um die Integrationspolitik gehen. Online ist zu lesen: „Als Veranstalter haben wir uns entschieden, Parteien, die rechtsextremistische und rechtspopulistische Ansichten vertreten oder in ihren Reihen dulden, kein Podium bei unseren Veranstaltungen zu bieten und sie deswegen auch nicht dazu eingeladen.“