Dick, dünn, klapperdürr: Was ist schön? Bei einer Diskussion mit StZ-Autorin Adrienne Braun ging es um Körperideale, Rollenzwänge und den Blick auf den eigenen Körper.

Stuttgart - Die Debatte um Schönheitsideale ist eigentlich nicht neu. „Die Menschen haben schon immer versucht, ihren Körper zu manipulieren“, sagte Kulturjournalistin Adrienne Braun bei der Podiumsdiskussion „Zu dick, zu dünn – Schönheitsideale und Körperbilder“ am Donnerstag im Haus der Geschichte. Die Manipulation des Körpers aber ist vielschichtig. Hinter dem Allgemeinplatz „Kleider machen Leute“ verberge sich ein komplexes Themenfeld, so Braun.

 

„Die Jungs sehen aus wie Fußballer und die Mädchen machen einen auf Angelina Jolie“, beschreibt Stephan Fischer, Chef einer Stuttgarter Casting-Agentur, die aktuellen Rollenbilder, die sich ihm in den Bewerbungen präsentierten. Fischer hat sich auf Models spezialisiert, die wie ganz normale Leute aussehen. Dennoch erreichten ihn viele Bewerbungsbilder, die so stark bearbeitet seien, dass er direkt um normales Bildmaterial bitten müsse.

Dürrheit als Schönheitsideal für Frauen

Die Stuttgarter Publizistin Hannelore Schlaffer hat den Eindruck, dass junge Menschen sich heute an der Popkultur orientierten. „In der S-Bahn sehe ich Schlauchlippen, künstliche Wimpern und einen hochgehobenen Busen.“ Nachgeahmt würden nicht die Klappergestelle, die über den Catwalk gingen. Den Zusammenhang zwischen dort gezeigter und wirklich getragener Mode gäbe es nicht mehr.

Der Feminist Nils Pickert hingegen hält Dürrheit als Schönheitsideal für Frauen durchaus für sehr präsent und gefährlich. „Man muss sich nur den Magertrend ,Thigh Gap’ des letzten Jahres ansehen, bei dem ein Mädchen nur dann als schlank gilt, wenn beim Zusammenstellen der Beine eine Lücke zwischen den Oberschenkeln zu sehen ist.“ Durch die Idee der Selbstoptimierung würde extremer Druck aufgebaut, sagte der Journalist und verwies auf das Format der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM). Stephan Fischer sieht in GNTM ein „Spiel mit der Pubertät der jungen Mädchen“.

Nicht nur Frauen stünden unter Druck

Lastet der Druck, einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen zu müssen, also vor allem auf den Frauen? Zumindest in der Modelbranche müssten sich auch die Männer anstrengen. Bei denen sei das Problem, dass sie es mit dem Bodybuilding genauso übertreiben würden wie die Mädchen mit dem Magersein, so Fischer.

Nils Pickert agiert mit seiner Protestorganisation „Pinkstinks“ gegen Medieninhalte, die vor allem Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. „Die Farbe Pink an sich ist nicht das Problem. Das Problem entsteht, wenn Mädchen das Gefühl haben, sie müssten ihre Weiblichkeit über diese Farbe ausdrücken.“

Früher sei Mode die Sprache der Sexualität gewesen

Jenseits der klassischen Geschlechterstereotypen würden mit Kleidung heute keine Botschaften mehr vermittelt, „zumindest nicht in der provokativen Eindeutigkeit wie noch in den sechziger Jahren“ oder vor der erotischen Befreiung , „als Mode noch Sprache der Sexualität war“, findet Hannelore Schlaffer.

Während die ehemalige Literatur-Professorin beklagt, dass die Mode immer jünger werde, zugeschnitten auf noch nicht voll entwickelte Körper, wünscht sich Pickert, „dass drastischer Sexismus nicht mehr verkauft werden darf.“